Außer Kontrolle: Der Schattenkrieg der CIA

Die Geheimwaffen der USA in Afghanistan: Drohnen und von der CIA gesponserte Milizen.
Die Geheimwaffen der USA in Afghanistan: Drohnen und von der CIA gesponserte Milizen.(c) REUTERS (Josh Smith)
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Im Kampf gegen Terroristen setzen die USA vor Ort nicht nur auf Drohnenangriffe, sondern zunehmend auch auf hoch bezahlte örtliche Milizen. Die Bevölkerung fürchtet diese Kämpfer, die völlig frei agieren können.

Khost. Vier Stunden dauert es mit dem Auto, bis man die Provinz Khost im Osten Afghanistans erreicht. Es geht durch die Landesteile Logar und Paktia, in denen zahlreiche Distrikte von den aufständischen Taliban kontrolliert werden. Dementsprechend häufig sind die Checkpoints der afghanischen Armee, ebenso wie die amerikanischen Blackhawk-Hubschrauber, die in Richtung Gardez, der Provinzhauptstadt Paktias, fliegen. Seit Ende 2001 wird der dortige Flughafen vom US-Militär genutzt.

Auch die Grenze zu Khost ist durch einen Checkpoint geschützt. Ein schwer bewaffneter Soldat nähert sich einem Taxi. Die Insassen wirken angespannt und nervös. „Woher kommst du?“, will der Wachmann von jedem einzelnen Fahrgast wissen. Sein Ton ist harsch, er spricht den typischen Paschto-Dialekt der Region. Die Männer im Auto antworten in derselben Sprache.

Der Soldat ist einer der Kämpfer der Khost Protection Force (KPF), einer lokalen afghanischen Miliz, die von der CIA unterstützt und ausgebildet wird. Dass der Mann kein regulärer Armeesoldat ist, ist unübersehbar. Seine Ausrüstung ist hochmodern, sein Auftreten professionell, sein Gebaren selbstbewusst und einschüchternd.

Mehr Befugnisse für die CIA

Vor Kurzem wurde bekannt, dass US-Präsident Donald Trump die Befugnisse des amerikanischen Auslandsgeheimdienstes CIA in Afghanistan erweitern möchte. Die „Agency“ soll im Krieg eine aufgewertete Rolle spielen, hauptsächlich durch den Schatteneinsatz von elitären Spezialkommandos und durch Drohnenangriffe.

Khost liegt mitten im Zielgebiet dieses „Schattenkrieges“. Bereits während der Amtszeit Barack Obamas wurde der Drohnenkrieg in dieser Region stark ausgeweitet, der massive Überwachungsapparat der CIA immer mehr aufgestockt. Unter den militanten Taliban, die sich unter anderem in der pakistanischen Region Waziristan unweit von Khost verstecken, ist die KPF entsprechend berüchtigt. Dass die Aufständischen die Provinz noch nicht unter ihrer Kontrolle haben, hat vor allem mit der Präsenz der CIA-Miliz zu tun.

Weite Teile der Provinz werden von der Khost Protection Force kontrolliert, die zu hundert Prozent vom US-Geheimdienst abhängig ist. Die Miliz besteht aus lokalen Paschtunen und ist berüchtigt dafür, mit US-Spezialeinheiten nächtliche „Antiterrorrazzien“ durchzuführen. Außerdem lokalisiert sie Ziele für Drohnenangriffe und erscheint oftmals am Tatort, nachdem die Raketen eingeschlagen haben. Das Zentrum der Milizen ist Camp Chapman, eine CIA-Basis im Zentrum von Khost. Sie prägt das Landschaftsbild genauso wie die zahlreichen Überwachungsballons und Antennenhügel in der Stadt.

Dass die Menschen in Khost sich an diesen dystopischen Überwachungskomplex gewöhnt haben, heißt nicht, dass sie ihn gutheißen. „Die Überwachung ist wirklich enorm. Man hat das Gefühl, stets beobachtet zu werden, und weiß, dass man nicht wirklich frei ist“, sagt Zaeef, ein Student aus der Stadt. „Vor allem die KPF-Milizen sind fast schon omnipräsent. Ihnen entgeht nichts“, fügt er hinzu.

„Einst Diebe und Kriminelle“

Doch viele Einwohner wissen auch, dass der Status quo alles andere als wahre Sicherheit bedeutet. „Diese Kämpfer erhalten einen hohen Sold. Sie bekommen jeden Monat Hunderte von Dollar von den Amerikanern. Einst waren sie jedoch Diebe und Kriminelle. Sobald Amerika sie fallen lässt, werden sie über unsere Stadt herfallen“, meint Sangar, ein Ladenbesitzer. Berichten zufolge werden Neueinsteiger bei der Miliz mit mehreren Hundert Dollar entlohnt, Kämpfer höherer Ränge erhalten gar über 1000 Dollar. Mit den mageren Löhnen der afghanischen Armee ist der großzügige Sold der CIA nicht vergleichbar.

In der Vergangenheit hat die KPF regelmäßig schwere Menschenrechtsverbrechen begangen. Zivilisten wurden entführt, ohne Grund gefangen gehalten und gefoltert oder – und das in sehr vielen Fällen – einfach auf der Straße hingerichtet. Bei gemeinsamen Razzien mit US-Soldaten wurden immer wieder unschuldige Menschen getötet, die man für „Terroristen“ hielt. Auch Journalisten wurden in ihrer Arbeit behindert. „Hier kann man über vieles berichten, allerdings nicht über das, was die KPF macht. Andernfalls spielt man mit seinem Leben und dem seiner Familie. Die Amerikaner haben hier ein Schreckensregime durch das andere ersetzt“, sagt ein lokaler Journalist aus Khost, der anonym bleiben möchte.

„Zerstörerisch und kontraproduktiv“

Diese Meinung wird nicht nur von Menschen vor Ort geteilt, sondern auch von Menschenrechtsexperten. „Die Taten der KPF, die unter anderem Entführungen, Angriffe auf Journalisten, Folter und Tötungen beinhalten, machen deutlich, wie zerstörerisch und kontraproduktiv die geheimen CIA-Operationen in Afghanistan sind. Sie haben neue Missstände geschaffen, die lokale Bevölkerung entfremdet und letztendlich dazu geführt, dass der Terror nicht beendet wurde. Stattdessen wurde der Konflikt in Afghanistan nur verlängert“, sagt Patricia Gossman, die als Senior Researcher für Afghanistan bei Human Rights Watch tätig ist.

In Khost wird der Schattenkrieg der CIA allerdings nicht nur weitergehen, sondern – wie viele Menschen befürchten – eskalieren. „Diese Männer dienen nicht Afghanistan, sondern dem amerikanischen Geheimdienst. Für uns ist das Grund genug, ihnen nicht zu vertrauen“, meint Restaurantbesitzer Mustafa. Und er ist sich sicher: „Niemand, nicht einmal der Präsident, kann dieser Miliz etwas anhaben. Diese Männer können frei agieren und töten, wen sie wollen: Denn sie arbeiten für die Amerikaner.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2017)

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