Deutschland: Justiz prüft angeblich islamfeindlichen AfD-Tweet

imago/Metodi Popow
  • Drucken

Die AfD-Politikerin Beatrix von Storch hatte sich auf Twitter über einen arabischen Tweet der Kölner Polizei empört. Diese erhob nun Anzeige bei der Bundesanwaltschaft wegen Verhetzung. Twitter und Facebook sperrten die Postings. AfD schäumt über "Zensur".

Die deutsche Bundesanwaltschaft prüft mehrere Anzeigen wegen mutmaßlicher Volksverhetzung gegen die AfD-Bundestagsabgeordneten Beatrix von Storch und Alice Weidel. Die Kölner Polizei und zahlreiche Privatpersonen hätten von Storch wegen Verdachts der Volksverhetzung angezeigt, sagte der Kölner Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn am Dienstag.

Von Storch, die so wie Weidel dem AfD-Vorstand angehört, hatte auf Neujahrswünsche der Kölner Polizei in sozialen Medien, die neben Deutsch und anderen Sprachen auch auf Arabisch gehalten waren, zunächst mit einem Twitter-Kommentar reagiert, den Twitter wenig später wegen strafrechtlicher Bedenken löschte. Damit kam das neue deutsche "Netzwerkdurchsetzungsgesetz" zur Anwendung.

"Was zur Hölle ist in diesem Land los?"

"Was zur Hölle ist in diesem Land los?", besagte das Posting. "Wieso twittert eine offizielle Polizeiseite aus NRW auf Arabisch. Meinen Sie, die barbarischen, muslimischen, gruppenvergewaltigenden Männerhorden so zu besänftigen?", schrieb die deutsche Politikerin.

Twitter sperrte ihren Account daraufhin für zwölf Stunden mit Verweis auf einen "Verstoß gegen Regeln über Hass-Inhalte".

Auf Twitter war von Storchs Eintrag am Montag nicht mehr zu lesen. Von Storch zufolge sperrte Twitter zeitweise ihren Account. Sie veröffentlichte allerdings einen Screenshot davon auf Facebook - und wiederholte dort ihre beanstandete Twitter-Aussage mit dem Zusatz "Mal sehen, ob man das auf Facebook sagen darf".

Die Kölner Polizei sah den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt und erstattete Anzeige. Auch "viele, viele private Dritte haben sich zu Strafanzeigen entschlossen", sagte Oberstaatsanwalt Willuhn.

Polizei verteidigt mehrsprachigen Tweet

Ein Polizeisprecher bestätigte am Montagabend auf Anfrage die Anzeige: es bestehe ein Anfangsverdacht, dass es sich bei der Twitter-Botschaft der Rechtsaußenpolitikerin um eine strafbare Handlung handeln könnte. Deshalb sei Anzeige gegen sie erstattet worden. Der Polizeisprecher sagte weiter, es sei seit langem Praxis der Kölner Polizei, "bei großen Demonstrationslagen", etwa von kurdischen oder türkischen Teilnehmern, die Öffentlichkeit in mehreren Sprachen zu informieren. "Wir wollen einfach verstanden werden", sagte der Sprecher. Womöglich sei in diesem Jahr erstmals auch auf Arabisch informiert worden.

Am späten Montagabend teilte von Storch über ihren inzwischen wieder zugänglichen Twitter-Zugang mit, dass auch Facebook ihre Nachricht mit dem dort noch einmal verbreiteten Ursprungsinhalt gesperrt habe. Sie zeigte den Screenshot der Begründung seitens Facebook: "Wir haben den Zugang zu dem Inhalt aus folgendem Grund gesperrt: Volksverhetzung (Paragraf 130 des deutschen Strafgesetzbuchs)."

Von Storch kritisierte danach, dass der Social-Media-Konzern handelte, lange bevor das Ermittlungsverfahren ein Ergebnis gebracht habe oder gar ein Urteil gefällt war. "Facebook hat mich nun auch zensiert. Das ist das Ende des Rechtsstaates."

Auch Solidaritätsposting eingeschränkt

Die Reaktion von AfD-Fraktionschefin Weidel auf die zeitweise Twitter-Sperrung für von Storch sahen laut Kölner Polizei viele Dritte ebenfalls als Volksverhetzung an. Weidels Twitter-Postings seien entfernt worden. Sie hatte die Twitter-Sperre gegen ihre Kollegin so kommentiert: "Unsere Behörden unterwerfen sich importierten, marodierenden, grapschenden, prügelnden, Messer stechenden Migrantenmobs." Von Storch habe zu Recht kritisiert, dass die Polizei auf Arabisch twittere. Diese Kommentierungen Weidels wurden später von Twitter ebenfalls zensiert.

Ermöglich wurden diese Eingriffe in die Meinungsfreiheit ohne behördliches oder gerichtliches Verfahren durch das sogenannte  Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das Twitter und Co. zu Maßnahmen gegen angebliche Hassbotschaften auf ihren Plattformen verpflichtet. Das von Justizminister Heiko Maas (SPD) angestoßene Gesetz ist mit der Jahreswende vollständig in Kraft getreten.

"Stasi-Methoden wie in der DDR"

Die AfD-Co-Chefs Alexander Gauland und Jörg Meuthen sprachen von Zensur. "Das Zensurgesetz von Heiko Maas zeigt schon am ersten Tag des neuen Jahres seine freiheitsbeschneidende Wirkung", erklärte Gauland. "Diese Stasi-Methoden erinnern mich an die DDR."

Meuthen warf Twitter vor, das "extrem hohe Gut" der Meinungsfreiheit zu gefährden. Von Storch habe "eine sehr kräftige Sprache" benutzt, die aber durch die Meinungsfreiheit gedeckt sei, sagte er der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten" (Mittwochausgaben). Ein Hassposting, das nach dem neuen Gesetz gelöscht werden muss, sei das nicht. Dem Sender ntv sagte Meuthen, von Storchs Äußerungen sei "plakativ", aber "das muss im politischen Diskurs erlaubt sein".

Die mehrheitlich moslemische Zuwanderungswelle nach Deutschland und andere europäische Länder 2015 hat das gesellschaftliche Leben verhärtet und Spaltungen in der Wohnbevölkerung zwischen Ideologen und Pragmatikern erzeugt. Die Stimmung kippte letztlich gegen die forcierte Zuwanderung, nachdem es in der Silvesternacht 2015/2016 in Köln sowie in anderen deutschen und bisweilen österreichischen Städten massenhaft sexuelle Übergriffe gegen Frauen, Bedrohungen von zu Hilfe kommenden Männern sowie andere Straftaten wie etwa Diebstähle, Nötigungen, gefährliche Drohungen und Sachbeschädigungen gegeben. Viele Beschuldigte waren nordafrikanischer Herkunft. Die Ereignisse sorgten für Empörung und emotionale Diskussionen.

Die Lage hat sich aufgrund vieler Straftaten, die seither von Aslywerbern begangen worden sind, nicht wesentlich beruhigt; zudem steht der Vorwurf im Raum, dass sich nicht wenige Medien aus Gründen der Political Correctness scheuen würden, darüber zu berichten. Beides dürfte sich seither auch in diversen Wahlergebnissen zu Lasten linker Parteien, aber auch der CDU von Kanzlerin Angela Merkel in Deutschland ausgedrückt haben. Zuletzt war kurz nach Weihnachten in Rheinland-Pfalz eine 15-jährige Deutsche von einem Afghanen erstochen worden.

(APA/dpa/AFP)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Europa

Beleidigender Tweet: Noah Becker zeigt AfD-Politiker an

Jens Maier hatte den Sohn von Boris Becker auf Twitter als "Neger" beschimpft. Der Ex-Tennis-Star ruft daraufhin zum Kampf gegen Rassismus auf.
Außenpolitik

AfD-Politiker beschimpfte Sohn von Boris Becker auf Twitter

Der Abgeordnete Jens Maier bezeichnete Noah Becker als "kleinen Halbneger". Der Vizepräsident des deutschen Bundestags spricht von einem "widerlichen Ausfall" und verlangt eine Entschuldigung.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.