Slowakei: Regierung Pellegrini soll politische Krise beenden

APA/AFP/VLADIMIR SIMICEK
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"Wir stehen heute wegen des Todes zweier junger Menschen hier." Einen Monat nach dem Mord an dem slowakischen Aufdeckerjournalisten Kuciak gelobt der Präsident das neue Kabinett an.

Ein Monat nach dem Mord an dem slowakischen Aufdeckerjournalisten, der die Slowakei in eine tiefe politische Krise gestürzt hat, hat das Land eine neue Regierung. Staatspräsident Andrej Kiska gelobte den neuen Ministerpräsidenten Peter Pellegrini sowie dessen Kabinett am Donnerstag im Präsidentenpalast von Bratislava an. Pellegrini betonte, sein Bestes für das Land tun zu wollen.

Kiska betonte: "Wir stehen heute wegen des Todes zweier junger Menschen hier. Wir stehen hier, weil öffentliches Misstrauen und Entrüstung nicht mit Kritik, Arroganz und dem Ignorieren des Verdachts, dass Organisiertes Verbrechen die höchsten Ebenen der slowakischen Politik erreicht hat, beantworten." Allen sei bewusst, dass es nicht reiche, die Regierung auszuwechseln. Notwendig sei es, den Regierungsstil zu ändern, meinte der Präsident in Anspielung an den Mord am Investigativ-Journalisten Jan Kuciak und seiner Verlobten Ende Februar. Schwieriger als die Vertrauensabstimmung im Parlament sei es, das Vertrauen der Öffentlichkeit wieder zu erlangen. "Als Staatsoberhaupt werde ich es Ihnen nicht erlauben, auf diese Verantwortung zu vergessen", sagte Kiska laut Nachrichtenagentur TASR.

Pellegrini verurteilte den Mord an Kuciak als "Angriff auf die Redefreiheit". Er sagte zu, dass seine Regierung alles machen werde, um das Verbrechen aufzuklären und die Verantwortlichen zu bestrafen. "Wir wollen unser Bestes tun, um die Slowakei zu einem erfolgreichen Land, einen guten Ort zum Leben und ein Land zu machen, auf das wir stolz sein können", sagte der 42-jährige Sozialdemokrat laut TASR in seiner Antrittsrede.

Pellegrini muss sich Vertrauensfrage stellen

Nach der Angelobung nahm die neue Regierung ihr Regierungsprogramm an. Bereits am Donnerstagnachmittag reist der neu ernannte Ministerpräsident zum EU-Gipfel nach Brüssel, wird sich aber am zweiten Gipfel-Tag vom tschechischen Amtskollegen Andrej Babis vertreten lassen, bestätigte eine Regierungssprecherin in Bratislava. Berichte aus tschechischen und slowakischen Medien, wonach Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) Pellegrini am Freitag beim Eurozonen-Gipfel vertreten werde, wurden indes nicht bestätigt.

Die Vertrauensfrage stellt das neue Kabinett von Pellegrini schon am Freitag im Parlament in Bratislava. Die Vertrauensabstimmung sollte die Regierung problemlos gewinnen, 79 der insgesamt 150 Parlamentarier hatten sich bereit erklärt, sie zu unterstützen. Pellegrini erwartet nach eigenen Angaben, dass die Parlamentsdebatte am Montag fortgesetzt wird und er erst dann das Vertrauen der Abgeordneten zugesprochen bekommt. Pellegrini sagte zu, sich nach der Vertrauensabstimmung mit den Organisatoren der Massenproteste gegen die Regierung seines Vorgängers Robert Fico treffen zu wollen. Der Investigativreporter hatte zuletzt über Verbindungen der italienischen Mafia zum slowakischen Regierungsamt recherchiert.

Pellegrini war mit der Regierungsbildung erst im zweiten Anlauf erfolgreich. Eine erste Ministerliste hatte Staatspräsident Kiska wegen Bedenken zum vorgeschlagenen Innenminister zurückgewiesen. Im neuen Kabinett übernimmt den heiklen Posten jetzt Tomas Drucker, ein parteiloser Krisenmanager und bisher Gesundheitsminister des Landes. Von ihm wird erwartet, dass er gründliche Ermittlungen des Mordes am Investigativjournalisten garantiert und umfangreiche Reformen in der Polizei einleitet.

Regierung versuchte Neuwahlen zu verhindern

Die slowakische Regierungskoalition - bestehend aus der sozialdemokratischen Smer von Fico, der rechtspopulistischen Slowakischen Nationalpartei und der ungarisch-slowakischen Versöhnungspartei Most-Hid - versuchte mit der Bildung einer neuen Regierung unter Pellegrini Neuwahlen zu verhindern. Diese hatten Opposition und Demonstranten auf den Straßen als einzigen Ausweg aus der Krise gefordert. Faktisch wurden außer dem Premier, den auch weiterhin die stärkste Koalitionspartei Smer stellt, aber nur fünf Regierungsmitglieder ausgewechselt, neun weitere Minister der vorherigen Regierung sind auf ihren Posten geblieben.

Mit der Ernennung von Peter Pellegrini scheidet Fico zwei Jahre nach den Parlamentswahlen nun definitiv aus dem Amt. Fico hat seit 2006 drei Regierungen geführt und war mit insgesamt 10 Amtsjahren der am längsten regierende Premierminister der Slowakei seit der Wende 1989. Der Sozialdemokrat ist vor einer Woche infolge der Krise nach dem Mord an Kuciak und seiner Verlobten zurückgetreten.

(APA)

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