Anschlag auf Pressefreiheit in Montenegro: Schüsse auf Reporterin

Olivera Lakic ziert nach dem Anschlag auf sie das Titelblatt der "Vijesti" in Montenegro.
Olivera Lakic ziert nach dem Anschlag auf sie das Titelblatt der "Vijesti" in Montenegro.REUTERS
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Für den erneuten Anschlag auf eine Mitarbeiterin macht die Zeitung „Vijesti“ den mächtigsten Mann Montenegros mitverantwortlich – Dauerregent Milo Djukanovic, mit Rückendeckung des Westens.

Belgrad/Podgorica. Die Revolvermänner scheuten das Tageslicht. Vor dem Eingang ihres Wohnblocks im Zentrum von Montenegros Hauptstadt Podgorica wurde die Journalistin Olivera Lakic am Dienstagabend gegen 21 Uhr von einem ihr auflauernden Unbekannten mit einem gezielten Schuss in die Beine niedergestreckt: Zwei weitere Männer flüchteten mit dem Täter in die Dunkelheit.

Es ist nicht der erste Anschlag auf die auf Korruption und Organisierte Kriminalität spezialisierte Reporterin der unabhängigen Zeitung „Vijesti“. Nach monatelangen Drohungen war die Journalistin im März 2012 an demselben Ort von einem Mann im Trainingsanzug zusammengeschlagen worden. Damals schrieb Lakic an einer Artikelserie über den Schmuggel gefälschter Marken-Zigaretten durch den Tabakhersteller MTC in einer Fabrik im nordmontenegrinischen Mojkovac. Zuletzt hatte sie sich mit Enthüllungsberichten über den vorzeitig aus deutscher Haft entlassenen Drogenbosses Safet Kalic beschäftigt.

Die Arbeit von kritischen Journalisten wird erschwert

„Vijesti“-Herausgeber Zeljko Ivanovic macht jedoch nicht nur kriminelle Mafiakreise, sondern auch den mächtigsten Politiker des EU-Anwärters für den jüngsten Anschlag verantwortlich. Schon seit Jahren habe der allgewaltige Dauerregent Milo Djukanovic eine Atmosphäre geschaffen, in der missliebige Journalisten zum Freiwild erklärt würden, so der Vijesti-Gründer am Mittwoch gegenüber der "Presse": "Zu dem Anschlag auf Lakic hat er die Täter zumindest indirekt eingeladen."

Tatsächlich haben kritische Journalisten und unabhängige Medien im seit 2006 unabhängigen Land unter der mittlerweile 27-jährigen Ägide des gewieften Strippenziehers einen schweren Stand: Auf dem Index der Pressefreiheit von „Reporter ohne Grenzen“ ist der EU-Anwärter hinter Staaten wie Kirgistan oder Mosambik auf den 103. Rang abgerutscht. Ob ausgebrannte Lieferwagen, Bombenanschläge, bedrohte, verprügelte oder angeschossene Journalisten: Alleine auf die Mitarbeiter und das zu 25 Prozent im Eigentum der zur österreichischen Styria Media Group zählenden „Vijesti“ sind laut Ivanovic seit 2007 mittlerweile 25 Anschläge verübt worden – „restlos aufgeklärt wurde kein einziger“.

Redaktion zweifelt an Aufklärungswillen der Behörden

Zwar haben die zuständigen Minister und Ermittlungsbehörden nach dem tristen Jubiläumsanschlag erneut pflichtschuldig dessen baldige Aufklärung gelobt. Doch nicht nur der mehrmals öffentlich demonstrierte Unwillen des allgewaltigen Staatschefs gegenüber ihm missliebige Medien wie die „Vijesti“ lässt Zeljko Ivanovic an raschen Ermittlungserfolgen zweifeln: „Montenegro ist ein Staat der Mafia. Und Djukanovic dessen Schutzherr.“

Zuletzt hatte den Mitte April zum zweiten Mal zum Staatschef gewählten Djukanovic ein "Vijesti"-Bericht auf die Palme gebracht, in dem davon die Rede ist, dass er als Premier seinem Sohn die Konzession für ein Wasserkraftwerk zugeschanzt habe. Die "Vijesti" verbreite „faschistische Ideen“, wütete daraufhin der steinreiche Dauerchef der Regierungspartei DPS im Wahlkampf: „Und ich glaube, dass man mit Faschismus keine Kompromisse machen kann.“

Beliebtheit Djukanovics ungebrochen

Nicht nur besorgte Journalisten, sondern auch Bürgerrechtler bewerten die wiederholten Attacken von „Zar Milo“ als gezieltes Schüren einer Lynchstimmung gegenüber missliebigen Kritikern. Djukanovic wiederum sieht in den lästigen Medien und NGOs „nur skrupellose Kämpfer um die Macht und um ausländischen Spendengelder“.

Obwohl die OSZE, aber auch die EU pflichtschuldig regelmäßig Verstöße gegen die Pressefreiheit anprangert und gegen Djukanovic in Italien zeitweise gar wegen des Verdacht des staatlichen Zigarettenschmuggels ermittelt worden war, erfreut sich das schillernde Politikfossil aus geopolitischen Gründen der ungebrochenen Rückendeckung des Westens.

Gegen den Willen Moskaus hat Djukanovic sein Land in die Nato gelotst – und sich so im Westen scheinbar unendlichen Kredit verschafft. Djukanovic sei ein „autoritärer Herrscher“, dem von Brüssel „alles nachgesehen“ werde, klagt Ivanovic: „Die vermeintliche Stabilität ist der EU wichtiger als ihre eigenen Werte.“

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