Krim: Ein Brückenschlag als Machtdemonstration

Freie Fahrt: Die Krim-Brücke ist ab heute, Mittwoch, für den Autoverkehr geöffnet.
Freie Fahrt: Die Krim-Brücke ist ab heute, Mittwoch, für den Autoverkehr geöffnet.(c) APA/AFP/POOL/ALEXANDER NEMENOV
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Präsident Putin eröffnete am Dienstag die Brücke auf die vor vier Jahren annektierte ukrainische Halbinsel. Das Projekt kostete drei Milliarden Euro und zementiert Moskaus Rolle als Hausherr.

Moskau. Seit Dienstag wissen die Russen, dass ihr Präsident nicht nur tauchen, fischen und Eishockey spielen kann, sondern noch dazu in der Lage ist, einen Lastkraftwagen zu chauffieren. Treu im Stil seiner bisherigen populistischen Inszenierungen in der Öffentlichkeit weihte Wladimir Putin als Fahrer eines orangefarbenen Kamaz-Lastwagens gestern die Brücke zwischen dem russischen Festland und der Krim ein, die Russland im März 2014 als Reaktion auf den Triumph der Maidan-Bewegung annektierte.

Die internationale Gemeinschaft beurteilt den Schritt als völkerrechtswidrig. Die Krim-Annexion ist der Ausgangspunkt für Moskaus Konflikt mit dem Westen. Doch von den Schwierigkeiten war gestern keine Rede. Bevor Putin, locker gekleidet in Jeans und schwarzem Sportblouson, die Fahrerkabine erklomm und, gefolgt von einer Kamaz-Eskorte, die vierspurige Straße befuhr, bedankte er sich bei Arbeitern und wünschte ihnen viel Erfolg bei der Erfüllung des Zeitplans. „Ich bin sicher, es funktioniert.“

Die 19 Kilometer lange Brücke über die Meerenge von Kertsch wird erst Ende 2019 mit der Fertigstellung der Eisenbahnstrecke komplett. Doch ab heute, Mittwoch, kann sie bereits von Pkw benutzt werden. Die Krim-Brücke ist fortan die längste Brücke Europas – länger als die Vasco-da-Gama-Brücke in Lissabon – und soll den Tourismus ankurbeln und Warenlieferungen auf die Halbinsel erleichtern. Denn bisher verbanden das russische Festland und die Krim nur eine Fährverbindung, die im Winter regelmäßig zum Erliegen kommt, und Flugzeuge. Die Halbinsel mit etwa zwei Millionen Bewohnern ist etwa so groß wie die Bundesländer Steiermark und Kärnten zusammen.

Nationale Kraftanstrengung

Für Moskau war die gestrige Einweihung mehr als eine Unterbeweisstellung russischer Baumeisterkunst. Eigentlich galten die Meerenge und ihr Untergrund als schwer bebaubar. Nach der Besetzung der Krim durch die Nationalsozialisten hatten diese versucht, eine Verbindung zum Festland zu ziehen. Das Projekt wurde nicht fertiggestellt. In der Sowjetära gab es für kurze Zeit eine Eisenbahnbrücke, die jedoch von Treibeis zerstört wurde.

Die Brücke hat für Moskau aber mehr noch eine immense symbolische Bedeutung: Das Bauwerk unterstreicht den Anspruch, dass die Krim von nun an zu Russland gehöre, oder wie es in den Tagen der Annexion selbstbewusst hieß, „Krim nasch“: die Krim gehört uns. Die Brücke wird zum Symbol des neuen geopolitischen Verhältnisses – und damit eines Russlands, dass der verblüfften Weltöffentlichkeit zeigt, wozu es in der Lage ist. Die Krim-Brücke ist in den Augen der russischen Patrioten das Unmögliche, das möglich wurde, eine nationale Kraftanstrengung. Sie soll auch im Bewusstsein der Russen verankert werden: Das Bauwerk prangt auf einem seit dem Vorjahr im Umlauf befindlichen 2000-Rubel-Schein und ist auf den Tickets der Moskauer Metro abgebildet.

Ihr Bau war Putins persönliche Initiative; für ihre Errichtung nahm er einen befreundeten Oligarchen in die Pflicht. Errichtet wurde sie von dem Konzern Stroigasmontasch, der dem Milliardär Arkadi Rotenberg gehört – ein enger Vertrauter und Ex-Judo-Partner Putins, der dafür vom Westen mit Sanktionen belegt wurde. Im Februar 2016 hatte die russische Regierung 228,3 Milliarden Rubel – damals 2,9 Milliarden Euro – für das Großprojekt bereitgestellt.

„Invasoren werden Brücke brauchen“

Die ukrainische Seite betrachtet das Projekt als illegales Bauwerk, gegen das man vor internationalen Gerichten klagen will. Das ist eine langwierige Prozedur, aber die Ukraine hat durchaus Aussicht auf Erfolg, wie ein Entscheid Anfang Mai zeigte. Der Ständige Schiedshof in Den Haag, ein Gericht zur Beilegung internationaler Streitigkeiten, verurteilte Moskau zu Entschädigungszahlungen an ukrainische Unternehmen.
Auch im angrenzenden Asowschen Meer ist die Spannung zwischen den Nachbarn spürbar. Hier kam es in letzter Zeit vermehrt zu Zwischenfällen. Ukrainische und russische Sicherheitskräfte nahmen Crews von „feindlichen“ Fischerbooten fest.

Ministerpräsident Wolodymyr Groisman sagte am Dienstag Moskau werde für die völkerrechtswidrige Annexion der Halbinsel einen „sehr hohen Preis“ dafür bezahlen. Präsident Petro Poroschenko verurteilte ebenfalls die Einweihung durch Putin. „Die Invasoren werden allerdings beim eiligen Verlassen unserer Krim noch die Brücke brauchen“, hieß es in einer Aussendung flapsig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2018)

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