Gewalt und Tote bei Protesten nach Wahlen in Simbabwe

Proteste von Oppositionsanhängern in Harare.
Proteste von Oppositionsanhängern in Harare. REUTERS
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In der Hauptstadt Harare hat die Armee nach Zusammenstößen von Oppositionsanhängern mit der Polizei offenbar das Feuer auf die Demonstranten eröffnet.

Zwei Tage nach den Wahlen in Simbabwe haben Soldaten in Harare das Feuer auf regierungskritische Demonstranten eröffnet und dabei mindestens einen Menschen getötet. Die Menge protestierte gegen angebliche Manipulationen der ersten Wahl seit dem Sturz des langjährigen Staatschefs Robert Mugabe. Die Regierungspartei Zanu-PF hat laut Teilergebnissen die absolute Mehrheit im Parlament errungen.

In Simbabwes Hauptstadt zogen am Mittwoch Panzer und Truppenfahrzeuge der Armee in den Straßen um den Sitz der Wahlkommission auf, Sicherheitskräfte sperrten den Sitz der Bewegung für Demokratischen Wandel (MDC) von Oppositionsführer Nelson Chamisa ab. Dort hatten sich Hunderte Demonstranten versammelt. Sie befürchten Wahlbetrug, weil die Bekanntgabe der Ergebnisse sich verzögert. Die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer ein, die Demonstranten schleuderten Steine.

Nach Oppositionsangaben sind zwei Menschen bei Zusammenstößen mit Sicherheitskräften ums Leben gekommen. Ein Mann sei an einem Schuss in den Bauch gestorben, berichtete ein AFP-Fotograf aus Harare. Mindestens vier weitere Menschen seien angeschossen worden, sagte der führende Oppositionspolitiker Tendai Biti.

"Gewalttätige Menschenmenge"

Zimbabwes Justizminister Ziyambi Ziyambi erklärte in einem Fernsehinterview, die Armee sei zur Unterstützung der Polizei eingesetzt worden, um eine "gewalttätige Menschenmenge" zu zerstreuen und Ruhe und Ordnung wiederherzustellen, und nicht, um die Menschen einzuschüchtern. Ihm sei nicht bekannt, dass Menschen von Soldaten verletzt worden seien.

Präsident Emmerson Mnangagwa (Zanu-PF) rief angesichts der Proteste zu "Frieden" auf. "Wir müssen Geduld und Reife beweisen", bis die endgültigen Ergebnisse des Urnengangs vorlägen, schrieb der 75-Jährige im Kurzbotschaftendienst Twitter.

Auslöser der Krawalle waren die Angaben der Wahlkommission. Demnach gewann die Regierungspartei Zanu-PF bei der Parlamentswahl 144 Sitze, auf die MDC entfielen 61. Während die Zanu-PF vor allem auf dem Land erfolgreich war, holte Chamisas MDC ihre Stimmen in den Städten.

Da nur noch die Ergebnisse aus drei Wahlbezirken fehlten, ist der Zanu-PF die Zwei-Drittel-Mehrheit sicher. Damit kann die Zanu-PF künftig nach Belieben die Verfassung des Landes verändern. Gegenkandidat Nelson Chamisa warf der Regierungspartei Wahlbetrug vor. Zweifel an der Unabhängigkeit der Wahlkommission äußerten auch EU-Wahlbeobachter.

Ohne absolute Mehrheit Stichwahl im September

Der Ausgang der zeitgleich abgehaltenen Präsidentschaftswahl wird nach Angaben der Wahlkommission ab Donnerstag, womöglich erst am Freitag oder Samstag, bekannt gegeben werden, erste Teilergebnisse wurden jedoch für Mittwoch erwartet. Sollte keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit errungen haben, soll am 8. September eine Stichwahl stattfinden.

Chamisa erklärte, die Präsidentschaftswahl sei manipuliert worden. Ziel sei es, Simbabwe "mental darauf vorzubereiten, die gefälschten Präsidentschaftswahlergebnisse zu akzeptieren", schrieb der Oppositionskandidat bei Twitter. "Wir haben die Wahl des Volkes gewonnen und werden das verteidigen!"

Unmittelbar nach dem Urnengang hatten sich sowohl Mnangagwa als auch der 40-jährige Chamisa siegesgewiss gezeigt. Die Zanu-PF herrscht seit 1980 in dem südafrikanischen Land. Die Abstimmung am Montag war die erste freie Wahl in Simbabwe seit etwa vier Jahrzehnten. Nach Mugabes Sturz im vergangenen November gingen die Bürger weitgehend friedlich zu den Urnen.

EU-Beobachtermission attestiert Mängel

Die EU-Beobachtermission attestierte der Wahl erhebliche Mängel. Der Chef der EU-Beobachter, der deutsche CDU-Politiker Elmar Brok, sprach am Mittwoch in Harare von "Versuchen, die freie Willensbekundung der Wähler zu untergraben, um ein Votum zugunsten der Regierungspartei sicherzustellen". Wähler seien "Beeinflussungen, sanfter Einschüchterung, Druck und Zwang" ausgesetzt gewesen.

"Während die politischen Rechte weitgehend respektiert wurden, gibt es Sorgen hinsichtlich der Gesamtlage und des missbräuchlichen Einsatzes staatlicher Mittel", resümierte Brok. Die EU-Mission kritisierte in einer Erklärung "ungleiche Wettbewerbsbedingungen und einen Mangel an Vertrauen" in das Wahlverfahren.

Im Vergleich zu früher habe sich das "politische Klima" bei den Wahlen aber "verbessert". Besonders hoben die Beobachter hervor, dass die Abstimmung friedlich verlaufen sei. Es war die erste Abstimmung seit 2002, bei der wieder EU-Wahlbeobachter zugegen waren.

Die Südafrikanische Entwicklungsgemeinschaft (SADC) erklärte in einem vorläufigen Bericht, die Wahlen seien "friedlich und ordentlich" abgelaufen und hätten "weitgehend" simbabwischem Recht entsprochen. Zugleich forderte die Staatengemeinschaft alle Kandidaten auf, "sich jeder Form der Gewalt zu enthalten".

Beobachtern zufolge ist es ungewiss, ob das Militär einen Sieg der MDC akzeptieren würde, nachdem es Mugabe gestürzt und Mnangagwa ins Amt gebracht hatte. Wer auch immer die Wahlen in Simbabwe gewinnt, steht vor enormen Herausforderungen. Das Land leidet unter Massenarbeitslosigkeit, Hyperinflation und der Abwanderung von Investoren und verfügt seit der Massenenteignung weißer Farmer nicht mehr über eine effiziente Landwirtschaft.

(APA/AFP/dpa/Reuters)

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