Bayern-Wahl: CSU muss sich Koalitionspartner suchen

Markus Söder muss den historischen Verlust der absoluten Mehrheit der CSU verantworten.
Markus Söder muss den historischen Verlust der absoluten Mehrheit der CSU verantworten.(c) APA/AFP/ODD ANDERSEN
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Die einst politisch allmächtige CSU verliert nicht nur ihre absolute Mehrheit, sondern stürzt auch weit unter 40 Prozent ab. Jetzt wird in München die Schuldfrage geklärt – und ein Koalitionspartner gesucht.

München. Markus Söder muss sich erst einige Momente sammeln. Lässt sich von der Menge aufmunternd und ein bisschen mitleidig applaudieren. Dann erst spricht der bayrische Ministerpräsident zu den geschockten CSU-Anhängern hier im Fraktionssaal im Münchner Landtag: „Es ist ein schmerzhaftes Ergebnis“, sagt er und blickt demütig durch den Raum. Aber er hält gleich fest: Er fühlt sich nicht allein dafür verantwortlich. „Ich bin seit einem halben Jahr im Amt“, sagt er. So schnell musste sich zuvor kein Landeschef der Wahl stellen. Noch dazu mit einer so instabilen Bundesregierung in Berlin. Aber „die CSU hat einen klaren Regierungsauftrag erhalten“, sagt Söder. Mehr Positives kann aber auch er nicht aus diesem Ergebnis ziehen.

Schon zuvor, als die erste Hochrechnung eingeblendet wird, herrscht absolute Ruhe im Raum. Nicht einmal 36 Prozent, schien es zunächst. Dann nicht einmal 38 Prozent. Das ist keine Niederlage, die man schönreden oder auf schlechte Kommunikation zurückführen kann. Das ist eine veritable Krise, der Anfang vom Ende der Volksparteien, auch in Bayern. Geklatscht wird bei den Christsozialen nur, als bekannt wird: Die Linke wird den Einzug in den Landtag nicht schaffen. Wenn schon keine Freude herrschen kann, dann zumindest Schadenfreude.

(c) Die Presse GK

Wie wenig Hoffnung Söder schon vor dem Wahlsonntag hatte, zeigte eine Absprache, die er laut „Bild“ mit Parteichef und Bundesinnenminister Horst Seehofer getroffen hat: Erreicht die CSU mehr als 33 Prozent, wollen sie den jeweils anderen nicht öffentlich dafür verantwortlich machen. Zumindest noch nicht. Seehofer besucht erst nach Söder den Fraktionssaal. Es sei „kein schöner Tag“. Gemeinsame Auftritte von Ministerpräsident und Parteichef sollte es an diesem Wahlabend aber nicht geben: Zu groß die Gefahr, dass vor laufender Kamera die Schuldfrage gestellt wird.


Doch eine Antwort darauf wird verlangt werden. Spätestens heute, Montag, in der Münchner CSU-Zentrale: Am Vormittag kommt der Parteivorstand zusammen. Fünf Stunden lang will man über das Wahlergebnis und seine Folgen debattieren.

Schlechter schnitt CSU nur 1950 ab

Zum Beispiel muss die jüngste Vergangenheit aufgearbeitet werden. Wie kann es sein, dass die einst politisch allmächtige CSU derart abstürzen konnte? 47,7 Prozent erreichte sie unter dem damaligen Ministerpräsidenten Seehofer vor fünf Jahren. Am Wahlabend erinnert er etwas süffisant daran. Selbst 2008, als die Absolute kurzzeitig verloren ging, blieb die Partei weit über dem jetzigen Ergebnis. Man muss schon weit in die Historie der CSU zurückblicken, um ein ähnlich schlechtes Ergebnis zu entdecken: 1954 erhielten die Christsozialen 38 Prozent, vier Jahre zuvor 27,4 Prozent. Der zweitschlechteste Wert der CSU? So wollte Söder nicht in die Geschichte eingehen.

Nun muss er auch noch akzeptieren, dass das Motto des CSU-Granden Franz Josef Strauß endgültig passé ist: Der Wahlsonntag zeigt, dass rechts von der CSU recht viel Platz ist. Die AfD ist nun in 15 Landtagen Deutschlands vertreten. In zwei Wochen, bei der Landtagswahl in Hessen, werden es mit hoher Wahrscheinlichkeit alle 16 Landesparlamente sein.

Für Söder das vielleicht Schlimmste an dem Wahlergebnis: Er kann nicht mehr alleine mit seiner CSU regieren – und braucht einen Koalitionspartner. So, wie das unbeliebte und instabile Berlin. Nur, dass die Regierung in München weitaus schneller stehen muss. Laut Gesetz muss sie innerhalb von vier Wochen im Amt sein.

Will Söder eine Zweierkoalition eingehen, sind die Möglichkeiten begrenzt: Eine Kooperation mit der AfD (laut Söder gehört sie in Bayern „zum Rechtesten, das es gibt“) hat er selbst schon ausgeschlossen. Eine Zusammenarbeit mit den Freien Wählern, eine Art bürgernähere CSU, wäre politisch am kompatibelsten. Die SPD, einst die zweitstärkste Kraft im Land, stürzte hingegen am Wahlsonntag noch tiefer als die CSU ab: Die Sozialdemokraten verloren die Hälfte ihrer Wähler. Vor fünf Jahren hatten sie noch 20,6 Prozent. Das jetzige Ergebnis ist eine Katastrophe für die Partei, die bis in die Berliner Zentrale Auswirkungen haben könnte.

Höhenflug der Grünen

Wohin einige der einst roten Wähler gewechselt sind, zeigt der Aufstieg einer anderen Partei: der Grünen. Sie konnten ihr Ergebnis mehr als verdoppeln. Im Jahr 2013 erreichten sie noch 8,6 Prozent der Stimmen. Dass die Grünen „bereit sind, Verantwortung zu übernehmen“, haben sie im Wahlkampf gleich mehrmals betont. Doch den Vorzug gäbe die CSU einer Koalition mit den Freien Wählern, die 11,5 Prozent erzielten. „Meine Präferenz ist ein stabiles, bürgerliches Bündnis“, sagte Söder auch am Wahlabend, und seine Anhänger applaudieren. „Das ist die klare Priorität.“

Die Frage ist jetzt, wie viel Kompromisse Söder bei den Verhandlungen eingeht. Und wie viel Macht er an den künftigen Partner abgeben will. Er hat ja nicht mehr so viel.

Auf einen Blick

Zum ersten Mal stellte sich Markus Söder als Ministerpräsident einer Landtagswahl in Bayern. Seit fünf Jahrzehnten regiert die CSU in dem Bundesland (mit kleineren Unterbrechungen) absolut. Nun bröckelt ihre Macht im Freistaat nach und nach. Heute, Montag, tagt der CSU-Vorstand. Bis in den Nachmittag will man die Folgen des Wahlergebnisses besprechen. Auch in Berlin blickt man mit Spannung und Sorge nach München: CSU-Chef Horst Seehofer dient als Innenminister im Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Ein Machtkampf in Bayern könnte also auch die Regierung im Bund noch weiter ins Wanken bringen. In zwei Wochen droht eine zweite Wahlschlappe für die Union: Auch Hessen wählt einen neuen Landtag.

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