Brasilien: "Der Hauptmann ist angekommen"

APA/AFP/EVARISTO SA
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Zum Amtsantritt des neuen Präsidenten Jair Bolsonaro versammelten sich Tausende Anhänger. Beobachter erwarten einen scharfen Rechtsruck im fünftgrößten Land der Welt.

Brasília/Wien. Die Böller und Raketen am Copacabana-Strand waren gerade erst verschossen, da machte sich Brasilien am Neujahrstag auf für einen anderen Neubeginn. Am Dienstag wurde Jair Bolsonaro in Brasília angelobt – ein Ereignis, das seine Anhänger mindestens ebenso feierten wie den Jahreswechsel. Mit Fahnen in der Hand und gelb-grünen Nationalfarben im Gesicht waren sie zu Tausenden in die Hauptstadt gepilgert, in Autos und in Überlandbussen. Vor einer überlebensgroßen Bolsonaro-Puppe auf der Esplanada dos Ministérios versammelten sich die Anhänger. "Der Hauptmann ist angekommen", riefen die Tausenden Unterstützer.

Ihr Idol, der ehemalige Fallschirmjäger und langjährige Abgeordnete, der vor allem mit rüden Sprüchen auf sich aufmerksam machte, fuhr zunächst in einem offenen Rolls Royce durch die Hauptstadt Brasilia. Der neue Präsident winkte seinen Fans zu, formte mit Daumen und Zeigefinger eine Pistole und schoss in die Luft. Später legte er im Kongress seinen Amtseid ab. Damit kommt der Ex-Militär, der sich im Wahlkampf als sauberer Außenseiter im korruptionsverseuchten Politikbetrieb inszenierte und feiern ließ, endgültig im Zentrum der Macht an.

"Dies ist der Beginn der Befreiung Brasiliens vom Sozialismus, politischer Korrektheit und einem aufgeblähten Staat", sagte der 63-Jährige in seiner Antrittsrede. Vor dem Kongress forderte er die Abgeordneten auf, ihm dabei zu helfen, "die Nation endgültig vom Joch der Korruption, Verbrechen, wirtschaftlicher Verantwortungslosigkeit und ideologischer Unterwerfung zu befreien". Zudem kündigte er einen "nationalen Pakt" an, um Brasilien voranzubringen.

Gegen „marxistischen Müll“

Der ultrarechte Politiker will gegen die weit verbreitete Korruption vorgehen, den Zugang zu Waffen erleichtern und die wirtschaftliche Nutzung des Amazonasgebiets vorantreiben. Kritiker betrachten den Anhänger der Militärdiktatur als Gefahr für die noch junge Demokratie Brasiliens. Er wolle die Regierung säubern und Schluss machen mit einer Politik, die „Korruption und Ineffizienz nach Brasilien gebracht hat“, sagte Bolsonaro am Silvesterabend in einem Interview mit Record TV.

Eine der Maßnahmen, um Brasilien aus den schlechtesten Positionen in der Weltrangliste bei der Bildung zu holen, sei der „Kampf gegen den marxistischen Müll, der sich in den Bildungseinrichtungen angesiedelt hat“, schrieb er zu Wochenbeginn auf Twitter. „Gemeinsam mit dem Bildungsminister und anderen Beteiligten werden wir dafür sorgen, dass wir uns zu Bürgern entwickeln und nicht zu Parteigängern.“ Zu Bolsonaros Kabinett zählen der prominente Anti-Korruptions-Ermittler Sérgio Moro und der ultraliberale Wirtschaftswissenschaftler Paulo Guedes.

Kritiker sehen in dem neuen Staatschef allerdings eine Gefahr für die noch junge Demokratie. Der Hauptmann der Reserve hatte sich abfällig über Schwarze, Indigene und Homosexuelle geäußert und die Militärdiktatur in Brasilien gelobt. Er will keine weiteren Schutzgebiete für indigene Gemeinschaften ausweisen. Beobachter erwarten daher nach Bolsonaros Amtsantritt einen scharfen Rechtsruck im fünftgrößten Land der Welt.

Der Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, Markus Beeko, warnte etwa vor einer drastischen Verschlechterung der Menschenrechtslage. „Alle Zeichen deuten auf eine Verschärfung hin“, sagte Beeko im Interview mit der Nachrichtenagentur AFP. Die internationale Gemeinschaft müsse mögliche Menschenrechtsverletzungen durch den Präsidenten klar ansprechen und die brasilianische Zivilgesellschaft unterstützen. „Es ist sowohl mit Gewalt als auch mit einer Verschärfung der gesellschaftlichen Diffamierung, Kriminalisierung und Stigmatisierung zu rechnen“, sagte Beeko. Die „Ankündigungen und Drohungen“ Bolsonaros dazu seien „sehr lebhaft“ gewesen.

Gewaltige Mordrate

Kritiker befürchten zudem, dass der beabsichtigte einfachere Zugang zu Waffen die Gewalt nicht eindämmen, sondern verschärfen dürfte. Die Mordrate in Brasilien ist gewaltig: 2017 wurden über 63.000 Menschen getötet. Zum Vergleich: In Österreich lag die Zahl der Tötungsdelikte bei 54.

Zu Bolsonaros Amtseinführung wurden unter anderem rechtsnationale Regierungschefs wie Benjamin Netanjahu aus Israel und Viktor Orbán aus Ungarn sowie Chiles konservativer Präsident Sebastián Piñera erwartet. US-Präsident Donald Trump ließ sich von Außenminister Mike Pompeo vertreten, gratulierte Bolsonaro aber via Twitter. "Die USA sind mit Ihnen!", so Trump. "Ich schätze Ihre ermutigenden Worte sehr. Zusammen, mit Gottes Schutz, werden wir unseren Leuten Wohlstand und Fortschritt bringen!", antwortete Bolsonaro postwendend auf dem Kurznachrichtendienst.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.01.2019)

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