IS-Rückkehrerproblem: Dänemark will Rückreisen nicht unterbinden

Kämpfer der Syrischen Demokratischen Kräfte bewachen gefangene Frauen von IS-Kämpfern
Kämpfer der Syrischen Demokratischen Kräfte bewachen gefangene Frauen von IS-KämpfernAPA/AFP/FADEL SENNA
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Der Justizminister betont, er habe absolut keine Sympathien für diese Leute, aber man könne dänischen Bürgern, die zurück wollten, das rechtlich bisher nicht verbieten.

Dänemark kann seinen Staatsbürgern nach Ansicht der Regierung auch dann nicht die Einreise verweigern, wenn diese im Ausland für die Terrormiliz "Islamischer Staat" oder ähnliche islamistische Gruppen gekämpft haben. "Ich habe absolut keine Sympathien für sie und sie sind unerwünscht in Dänemark", sagte Justizminister Søren Pape Poulsen am Donnerstag. "Aber das hier ist ein komplexes Problem. Fakt ist, dass wir keinen dänischen Staatsbürgern verweigern können, zurück nach Dänemark zu kommen."

Angesichts des unmittelbar bevorstehenden Falls der letzten Bastion des IS in Syrien an US-unterstützte kurdische Truppen wird seit längerem vor allem in Europa debattiert, wie man mit hunderten dort kämpfenden IS-Anhängern aus Europa und ihren Familien umgehen solle, sollten diese in Gefangenschaft geraten. US-Präsident Donald Trump hatte europäische Länder aufgefordert, mehr als 800 bisher in Syrien gefangen genommene IS-Kämpfer mit europäischem Hintergrund zurückzunehmen und vor Gericht zu stellen. Falls die Verbündeten nicht reagierten, seien die USA (bzw. die Kurden) gezwungen, sie auf freien Fuß zu setzen.

Bisher hatten sowohl die dänische Regierung als auch die oppositionellen Sozialdemokraten klargemacht, dass sie IS-Kämpfer eigentlich nicht in ihrem Land sehen wollen. Die rechtspopulistische Dänische Volkspartei hatte am Mittwoch vorgeschlagen, Dänen ihren Pass zu entziehen, wenn sie beispielsweise für den IS gekämpft hatten - unabhängig davon, ob sie noch eine andere Staatsbürgerschaft innehaben oder nicht.

Nach Angaben des dänischen Geheimdienstes sind seit dem Sommer 2012 rund 150 Personen aus Dänemark nach Syrien oder in den Irak gereist, um sich Extremisten anzuschließen. Etwa 30 davon sollen sich weiter in den Konfliktgebieten befinden. Die allermeisten diese Personen hatten ungeachtet etwaiger dänischer Staatsbürgerschaft ethnisch nicht-dänische Wurzeln.

Britischer Präzedenzfall

Die britische Regierung hat dieser Woche einer 19-jährigen Britin mit Wurzeln in Bangladesch die Staatsbürgerschaft entzogen, weil sie sich 2015 dem IS in Syrien angeschlossen hatte, nun in kurdischer Haft sitzt und wieder nach England will. Die Bitte von Shamima Begum nach Rückkehr schmetterte die Regierung nach tagelanger Debatte ab, denn es gelte, das Land zu beschützen. Begum hatte sich in Interviews erschütternderweise auch wenig reuig gezeigt und hielt dabei das "Kalifat" des IS im Prinzip für weiter richtig.

Zwar sei es nicht möglich, jemanden durch Staatsbürgerschaftsentzug in die Staatenlosigkeit zu schicken, hieß es aus dem Innenministerium. Allerdings besitze die junge Frau ohnehin die Staatsbürgerschaft von Bangladesch oder könne sie einfach beantragen. Begum findet diese Vorgangsweise eigenen Worten zufolge "ungerecht für mich und meinen Sohn"; sie erwäge nun, alternativ die Staatsbürgerschaft der Niederlande anzustreben. 2015 war sie mit einem IS-Kämpfer aus den Niederlanden verheiratet worden.

Österreich will "passiv" bleiben

Aus Österreich befinden sich derzeit rund 100 Kämpfer in Syrien und dem Irak, rund 30 Prozent davon besitzen laut Innenministerium die österreichische Staatsbürgerschaft. Zwar lehnt das Innenministerium die Rücknahme der IS-Kämpfer im Sinne einer aktiven Rückholung klar ab; grundsätzlich ist Österreich aber rechtlich verpflichtet, seine Staatsbürger zurückzunehmen. Auch darf die Staatsbürgerschaft nicht aberkannt werden, wenn eine Person damit staatenlos würde.

Laut einer Studie einer New Yorker Forschungseinrichtung seien in den vergangenen Jahren mehr als 40.000 Personen aus mehr als 110 Ländern in den Irak und nach Syrien gegangen, um sich vor allem dem IS anzuschließen. Das Institut "The Soufan Center" (TSC) will auch wissen (Studie von November 2018), dass bis dato 5600 IS-Anhänger zurückgekehrt seien.

Mehr als 5000 dieser Fanatiker seien aus EU-Staaten zum IS gezogen, ein Drittel davon sei wieder zurückgekehrt. EU-weit kamen demnach am meisten aus Frankreich, nämlich rund 1900. Deutschland liege mit 915 an zweiter Stelle, dahinter rangieren Großbritannien, Belgien und Schweden.

Österreich liegt dem Bericht zufolge auf Platz 6 unter den EU-Staaten. Von rund 300 Personen, die vor ihrem Abgang zum IS dort gelebt hatten, sollen etwa 90 zurückgekehrt sein. Das passt recht gut zu den Zahlen des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, die insgesamt 320 IS-Anhänger bzw. rund 100 Rückkehrer angeben. Nur 30 Prozent davon besäßen eine österreichische Staatsbürgerschaft, hingegen gleich 40 Prozent die russische - es soll sich meist um Tschetschenen handeln, die nach Österreich migriert waren.

(DPA/ag.)

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