Iran: Angst vor dem Krieg aus Versehen

US-Außenminister Pompeo legte auf seiner Reise nach Russland einen Zwischenstopp in Brüssel ein.
US-Außenminister Pompeo legte auf seiner Reise nach Russland einen Zwischenstopp in Brüssel ein. (c) APA/AFP/JOHN THYS
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Der britische Außenminister warnt vor ungewolltem Militärgang. US-Chefdiplomat Mike Pompeo macht einen Abstecher nach Brüssel.

Brüssel. Die Nerven flattern, die Angst vor einer militärischen Auseinandersetzung im Persischen Golf steigt. Eine falsche Entscheidung, ein Missverständnis, ein Schuss – und die Folgen könnten verheerend sein. „Wir sind äußerst besorgt, dass es aus Versehen zu einem Konflikt kommen könnte – mit einer Eskalation, die von keiner Seite gewollt ist“, sagte der britische Chefdiplomat, Jeremy Hunt, am Rande eines EU-Außenministertreffens in Brüssel. „Ich denke, wir brauchen eine Ruhephase, um sicherzustellen, dass jeder versteht, was die andere Seite denkt.“

Die Sorge dürfte nicht geringer geworden sein, als US-Präsident Donald Trump am Montagabend eine weitere Warnung an den Iran richtete. Teheran werde mit schwerwiegenden Konsequenzen rechnen müssen, wenn es gegen US-Interessen vorgehe, sagte er vor Journalisten in Washington. „Das wäre ein sehr schwerer Fehler.“

Pompeo am Dienstag bei Putin

Hunt hatte zuvor Gelegenheit gehabt, seine Sorgen direkt mit Mike Pompeo zu teilen. Der US-Außenminister hatte in der belgischen Hauptstadt überraschend eine Stippvisite eingelegt, um Repräsentanten der EU-3, der drei europäischen Unterzeichnerstaaten des Atomabkommens mit dem Iran, zu treffen. Pompeo sprach außer mit Hunt auch noch mit Heiko Mass und Yves Le Drian, den Außenministern Deutschlands und Frankreichs.

Der ehemalige CIA-Direktor kippte den für Montag angesetzten Moskau-Besuch seiner Russland-Reise. Er wird am heutigen Dienstag, wie geplant, den russischen Präsidenten, Wladimir Putin, und dessen Außenminister, Sergej Lawrow, in Sotschi treffen.

Russland zählt ebenso wie China zu jenen Staaten, die immer noch an der 2015 in Wien geschlossenen Nuklearvereinbarung mit der Islamischen Republik festhalten. US-Präsident Donald Trump ist aus dem Vertrag, den er den „schlechtesten Deal aller Zeiten“ nennt, vor einem Jahr ausgestiegen. Auch Teheran vergeht die Lust daran, seit es die USA mit Sanktionen und einem Ölboykott belegt haben. Der Hebel des Weißen Hauses ist lang. Die USA drohen auch allen nicht amerikanischen Unternehmen, die weiter im Geschäft mit dem Iran bleiben wollen, mit Sekundärstrafen.

Eine europäische Hilfskonstruktion zur Umgehung der Sanktionen, eine Zweckgesellschaft namens Instex, erwies sich bisher als nutzlos. Die Unternehmen fürchten um ihren Zutritt zum US-Markt und meiden deshalb im Zweifel lieber den Iran.

Iranisches Ultimatum „unpassend“

Vergangene Woche setzte Teheran den Europäern ein Ultimatum von 60 Tagen, um bis dahin die wirtschaftlichen Versprechen des Atomabkommens einzulösen. Wenn dies nicht der Fall sei, werde die Islamische Republik wieder anfangen, Uran über das vereinbarte Maß hinaus anzureichern. Der Atomdeal wäre dann endgültig tot. Denn dessen zentrales Element war es, die Anreicherung von Uran einzuschränken, um den Bau einer Atombombe hintanzuhalten.

Der französische Außenminister, Jean-Yves Le Drian, bezeichnete das iranische Ultimatum am Montag in Brüssel indigniert als „unpassend“. Davor schon hatte es die EU geschlossen zurückgewiesen. Doch das Nuklearabkommen, an das sich die Iraner nach Auskunft der in Wien ansässigen Atomenergiebehörde bisher gehalten haben, wollen die Europäer weiterhin irgendwie retten. Das freilich wird von Tag zu Tag schwieriger.

„Sabotageakte“ vor der Golfküste

Denn im Hintergrund türmen sich die militärischen Drohkulissen immer höher auf. Die Amerikaner trompeteten nicht nur die – routinemäßige – Verlegung des US-Flugzeugträgers USS Abraham Lincoln in den Nahen Osten hinaus, sondern auch die Entsendung mehrerer B-52-Langstreckenbomber. Zuletzt kündigten sie auch an, das Kriegsschiff USS Arlington in die Region zu schicken.

Die Stimmung ist hoch nervös. Am Montag bestätigten die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudiarabien „Sabotageakte“ gegen vier zivile Handelsschiffe vor der Golfküste. Der Iran wies postwendend jeden Verdacht zurück und wetterte gegen das „Abenteurertum ausländischer Akteure“. Da zeichnete er sich ab, der „ungewollte Krieg“, vor dem der britische Außenminister Hunt eindringlich gewarnt hatte. (red./ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2019)

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