Demonstranten in Hongkong setzten auf Flashmob-Strategie

Schauplatz der Auseinandersetzungen war auch die Metro.
Schauplatz der Auseinandersetzungen war auch die Metro.(c) REUTERS (TYRONE SIU)
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Schauplatz der Auseinandersetzungen waren auch Metro und Flughafen. Die Polizei setzte Tränengas gegen die Demonstranten ein, die rasch die Orte ihrer Kundgebungen änderten.

Zumindest vorübergehend kehrte das öffentliche Leben in Hongkong am Montag wieder zur Normalität zurück: Die U-Bahn nahm ihren normalen Liniendienst wieder auf, in den Straßen wurde das bei Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten entstandene Gerümpel aufgekehrt. Zum vierten Tag in Folge war aber für Montag eine Kundgebung im Hongkonger Flughafen vorgesehen. Demonstrationen waren für den Abend auch vor Polizeihauptquartieren geplant.

Tausende Menschen haben in den vergangenen zwei Tagen das zehnte Wochenende in Folge gegen die Peking-treue Regierung von Carrie Lam protestiert. Am Sonntag schlugen die meist friedlichen Kundgebungen zum Teil in Gewalt um.

Im Stadtteil Sham Shui Po versammelten sich überwiegend junge Leute vor einer Polizeiwache. Die Polizei setzte Tränengas gegen sie ein und versuchte vergeblich, die Menge zu zerstreuen. Im nahe gelegenen Stadtteil Cheung Sha Wan bewarfen einige Demonstranten Polizisten mit Gegenständen, die mit dem Einsatz von Tränengas reagierte.

Schauplatz der Auseinandersetzungen war auch die Metro, die Polizei stürmte mehrere Haltestellen und nahm Protestierer fest. Die Demonstranten blockierten mehrere Hauptverkehrsstraßen und wechselten mit einer sogenannten Flash-Mob-Strategie rasch die Orte ihrer Kundgebungen, was den Polizeieinsatz erschwerte.

"Befreit Hongkong!"

Mehr als tausend schwarz gekleidete Demonstranten füllten den dritten Tag in Folge die Ankunftshallen des internationalen Flughafens in der chinesischen Sonderwirtschaftszone und forderten in Sprechchören: "Befreit Hongkong!". Im Victoria Park im Stadtzentrum versammelten sich bei brütender Hitze junge und ältere Menschen, darunter auch Familien mit Kindern. Sie warfen der Polizei Brutalität gegenüber den Demonstranten vor und forderten eine unabhängige Untersuchung des Vorgehens der Behörden.

"Wir haben unser ganzes Leben lang in Hongkong verbracht", sagte ein 63-jähriger Mann, der in Begleitung seines im Rollstuhl sitzenden 93-jährigen Vaters an einem Demonstrationszug teilnahm. "Das ist jetzt die schlimmste Zeit, denn die Regierung hört den Bürgern nicht zu." Die Bürger müssten zusammenhalten, sagte der Mann weiter. "Wir werden immer unsere Kinder unterstützen."

Bereits am Samstag hatten Sicherheitskräfte bei Zusammenstößen mit Demonstranten erneut Tränengas eingesetzt. Nach Polizeiangaben wurden 16 Menschen festgenommen. Ihnen wird die Teilnahme an nicht erlaubten Kundgebungen und der Besitz von "Offensiv-Waffen" vorgeworfen. Seit Beginn der Proteste im Juni haben die Behörden mehr als 600 Menschen festgenommen.

Demonstranten fordern Rücktritt von Regierungschefin Lam

Die Regierung in Peking hat die Proteste scharf verurteilt und unter anderem die Hongkonger Fluglinie Cathay Pacific Airways aufgefordert, gegen Personal vorzugehen, das sich an den Demonstrationen beteiligt hat. Das Unternehmen teilte mit, man werde jeden "übermäßig radikalen" Angestellten von Flügen zu chinesischen Zielen ausschließen. Außerdem sei ein Pilot vom Dienst suspendiert worden, der bei den Protesten festgenommen worden war.

Die Proteste hatten sich an Plänen der Regierung für ein Gesetz zur Auslieferung von Beschuldigten an China entzündet. Regierungschefin Lam hat den Gesetzentwurf zwar für tot erklärt, doch die Proteste weiten sich seit Mitte Juni stetig aus. Mittlerweile fordern die Demonstranten den Rücktritt Lams, die ihren Posten einem von Peking eingerichteten Wahlkomitee verdankt, gegen dessen Einrichtung sich bereits die gewaltsame Protestwelle von 2014 entzündete.

Der früheren britischen Kronkolonie Hongkong wurden nach der Übergabe an China 1997 besondere Rechte wie das der freien Meinungsäußerung eingeräumt. Diese Rechte sehen die Regierungskritiker nun gefährdet. Anfangs habe er die Kundgebungen nicht ernst genommen, sagte ein 29-jähriger Demonstrant. "Aber nach diesen zwei Monaten denke ich: jetzt oder nie. Denn in zwanzig Jahren werden wir nicht mehr in der Lage sein, irgendetwas zu unternehmen."

(APA/Reuters)

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