Deutsch-französischer Schulterschluss für eine „Sozialunion“

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Die sozialdemokratischen Wirtschaftsminister beider Länder fordern eine Stärkung der Eurozone. Konkret meinen sie: einheitlichere Mindestlöhne und Unternehmenssteuern.

Paris/Berlin. Es ist schon formal eine ungewöhnliche Initiative: Die beiden Wirtschaftsminister von Deutschland und Frankreich veröffentlichten am Donnerstag gemeinsam einen Gastbeitrag in acht europäischen Zeitungen, indem sie für ein näheres Zusammenrücken der Eurozone plädieren. Aber viel deutlicher lässt aufhorchen, was sich Sigmar Gabriel und Emmanuel Macron unter einer „Wirtschafts- und Sozialunion“ vorstellen. Die Forderungen der beiden Sozialdemokraten bergen einigen politischen Sprengstoff. Ihr neuer „Integrationsweg“ soll auch Sozialstandards und Steuersätze konvergieren lassen. So dürften die Mitgliedstaaten ihre Mindestlöhne nur mehr innerhalb eines von Brüssel fixierten Korridors festlegen.

Zudem wollen die beiden Minister die Körperschaftsteuern in der Eurozone harmonisieren. Die Einnahmen aus dieser Unternehmenssteuer würden dann nicht mehr wie bisher zur Gänze den einzelnen Staaten zur Verfügung stehen. Zumindest ein „kleiner Anteil“ davon soll in einen gemeinsamen Topf wandern, zusammen mit der Finanztransaktionssteuer – als Vorstufe zu einem gemeinsamen „Budget für die Eurozone“.

Euro-Budget statt Eurobonds?

Mit den gepoolten Mitteln könnte man eine „konjunkturpolitisch problematische Kürzungspolitik verhindern“ – in all jenen Ländern, die „übermäßige Schulden haben“. Damit bliebe den Krisenstaaten eine Anpassung aus eigener Kraft erspart. Das hätte, unter anderem Titel, einen ähnlichen Effekt wie die von Südeuropa gewünschte Vergemeinschaftung der Schulden durch Eurobonds – einem Konzept, dem die deutsche SPD schon abgeschworen hatte.

Das Eurozonen-Budget soll zudem den Konjunkturverlauf durch automatische Stabilisatoren steuern. Auch institutionelle Änderungen schweben den beiden Politikern vor: ein zusätzlicher „Euro-Kommissar“ in der Kommission und eine „Euro-Kammer“ im Parlament. Der Rettungsschirm ESM würde nach ihrer Vision in einem „Europäischen Währungsfonds“ aufgehen, der in das „Gemeinschaftsrecht einbezogen“ ist.

Der Gastbeitrag erschien in der „Welt“, im „Figaro“, in der „El País“, in der „La Repubblica“, im „Guardian“ sowie in einer belgischen und zwei Schweizer Zeitungen. Der Vorstoß entspricht im Falle Frankreichs der politischen Linie Präsident Hollandes und seiner Regierung.

Für Deutschlands Große Koalition gilt das nicht: Kanzlerin Merkel und ihre CDU/CSU dürften mit einigen Punkten auf der europäischen Wunschliste des SPD-Chefs und Vizekanzlers Gabriel keine große Freude haben. (red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.06.2015)

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