Ausgerechnet die ehemalige britische Kolonie hat den EU-Ratsvorsitz inne, wenn London den EU-Austritt einreichen wird. Entgegenkommen wird es keines geben.
Auch wenn der EU-Sondergipfel am Freitag in der maltesischen Hauptstadt Valleta ganz im Zeichen der Flüchtlingspolitik steht, werden sich die 27 Staats- und Regierungschef nach Abreise von Premierminister Theresa May dem geplanten EU-Austritt Großbritanniens (Brexit) widmen. Dass gerade Malta den EU-Ratsvorsitz innehat, wenn London das Gesuch im März einreicht, ist fast Ironie des Schicksals.
Der südlich von Sizilien liegende Inselstaat, zu dem neben Malta noch die Inseln Gozo und Comino gehören, wurde erst 1964 nach mehr als 150 Jahren als britische Kronkolonie unabhängig. Neben Maltesisch - das auf die arabisch-islamische Herrschaft bis Ende des elften Jahrhunderts zurückgeht und die einzige Sprache mit arabischen Wurzeln, aber lateinischer Schrift ist - ist auch Englisch offizielle Landessprache.
In und auf den Straßen des 316 Quadratkilometern großen Inselstaats ist das britische Erbe ebenfalls noch deutlich sichtbar: Rote Telefonzellen und Briefkästen wie für das Königreich charakteristisch; auch der Linksverkehr blieb. Malta ist seiner ehemaligen Kolonialmacht bis heute politisch eng verbunden - und das wird es auch nach dem Brexit sein.
Neben 50 anderen Staaten befinden sich aus Europa Großbritannien, Malta und Zypern im Commonwealth of Nations - ein loser Staatenbund, in dem zahlreiche frühere englische Kolonien zusammengeschlossen sind, aber auch andere Länder. Diese Verbindung räumte allen in Großbritannien lebenden Bürgern des Commonwealth über 18 Jahren ein Wahlrecht bei den Parlamentswahlen und auch beim Brexit-Referendum ein. Malta hat seit November 2015 auch den Vorsitz des Staatenbunds inne.
Die britische Regierung kann jedoch trotz der engen Beziehung zu Malta offenbar nicht mit einem Entgegenkommen in den Brexit-Verhandlungen rechnen. Bei diesem Thema seien sich die 27 anderen Staaten so einig wie nie, hatte der maltesische Ministerpräsident Joseph Muscat Anfang des Jahres geäußert. Zwar forderte er einen "fairen Deal" mit Großbritannien, doch müsse klar sein, dass dies "weniger ist als die EU-Mitgliedschaft".
Die Brexit-Verhandlungen werden zwar nicht vom EU-Ratsvorsitz geführt, sondern unter der Ägide des ehemaligen EU-Kommissars Michel Barnier. Allerdings wird Malta bis Mitte des Jahres den Vorsitz im Allgemeinen Rat, in dem die 27 verbleibenden EU-Staaten die Verhandlungen mit Großbritannien zur Debatte stellen werden, innehaben. Mit 1. Juli 2017 übernimmt Estland die Führung.
(APA)