Großes Staats-Kino für Frankreichs neuen Präsidenten

Höhepunkt ist traditionell eine Fahrt über die Pariser Prachtstraße Champs-Elysees
Höhepunkt ist traditionell eine Fahrt über die Pariser Prachtstraße Champs-ElyseesAFP (CHRISTOPHE ARCHAMBAULT)
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Eine Woche nach seinem Wahlsieg übernimmt Emmanuel Macron heute die Macht im Elyseepalast. Er der jüngste französische Präsident aller Zeiten.

Frankreich begrüßt heute seinen neuen Präsidenten fast wie einen Monarchen. Der Amtsantritt des französischen Staatschefs folgt einem eingespielten Protokoll, das Glanz und Größe ausstrahlt, die das wirtschaftlich angeschlagene Land im Alltag oft vermisst.

Höhepunkt ist traditionell eine Fahrt über die Pariser Prachtstraße Champs-Elysees, begleitet von einer Motorrad- und Reitereskorte der Republikanischen Garde - ganz großes Staats-Kino.

Auch für Emmanuel Macron, der eine Erneuerung der französischen Politik predigt, beginnt die Amtszeit im Elyseepalast an diesem Sonntag mit den alten Ritualen der Republik. Dabei ist der Amtsantritt des 39-Jährigen eine Zäsur - durch sein Alter, durch seine Unabhängigkeit von den traditionellen Parteien. "Es ist einiges in Bewegung geraten in Frankreich", sagt der Politikwissenschaftler Hans Stark vom Französischen Institut für Internationale Beziehungen.

Macron wird am Vormittag von seinem Vorgänger François Hollande im Ehrenhof des Elyseepalastes empfangen. Die beiden Präsidenten ziehen sich zu einem vertraulichen Gespräch zurück - so will es die Tradition. Dann verlässt der Alte die Machtzentrale, und der Neue wird ins Amt eingeführt. Es folgen militärische Ehren im Park hinter dem Palast, vor dem Invalidendom auf der anderen Seite der Seine werden 21 Kanonenschüsse abgefeuert. Dann die Fahrt zum Grabmal des Unbekannten Soldaten am Ende der Champs-Elysees. Noch nicht bekannt ist, ob Macron in dem starren Zeremoniell eine individuelle Note setzen wird. ValEry Giscard d'Estaing etwa kam 1974 zu Fuß zur Amtsübergabe.

Mit der Amtseinführung übernimmt Macron das Kommando über die französische Armee und die "force de frappe", die Atombomben. Das Land gilt mit seinen geschätzt rund 300 nuklearen Sprengköpfen als drittgrößte Atommacht der Welt. Mehrere Tausend Soldaten sind im Auslandseinsatz gegen Terrorgruppen in der Sahelzone sowie gegen die Organisation Islamischer Staat im Irak und in Syrien.

Gegner bringen sich in Position

Doch die erste große Entscheidung für Macron dürfte eine innenpolitische Personalie werden: Die Ernennung seines Premierministers. Mit der Bekanntgabe des Namens wird spätestens am Montag gerechnet. Dem Regierungschef kommt eine Schlüsselrolle für den Wahlkampf vor den Parlamentswahlen am 11. und 18. Juni zu. Dabei geht es um die entscheidende Frage, ob die Franzosen ihrem neuen Staatschef auch die nötige Beinfreiheit für sein Reformprogramm geben, mit dem Macron die Wirtschaft ankurbeln und endlich das Dauerproblem der hohen Arbeitslosigkeit lösen will.

Er braucht eine Mehrheit oder zumindest die stärkste Fraktion in der Nationalversammlung, ansonsten wird es schwierig für ihn. Seit Tagen wird spekuliert, ob Macron etwa einen gemäßigten Konservativen als Regierungschef verpflichten könnte, was die bürgerliche Rechte bei den Parlamentswahlen schwächen könnte.

Macrons Gegner bringen sich bereits in Position, um seinen sozialliberalen Vorstellungen einen Riegel vorzuschieben. Allen voran die Rechtspopulistin Marine Le Pen und der Linksaußen-Politiker Jean-Luc Melenchon. Melenchons Anhänger wollten einen Bruch mit der Marktwirtschaft, meint Politologe Stark. "Und diese Leute muss Macron überzeugen, dass wirtschaftliche Reformen machbar sind ohne zu große soziale Härten."

Von diesem Sonntag an zählt es für Macron. Und er dürfte hoffen, dass von der Zeremonie bessere Bilder hängen bleiben als bei seinem Vorgänger 2012: Bei Hollande saß die Krawatte schief, nach der Fahrt durch den strömenden Regen kam der neue Präsident klatschnass am Triumphbogen an, und dann wurde sein Flugzeug auf dem Weg nach Berlin auch noch vom Blitz getroffen. Es wirkt im Rückblick geradezu wie ein schlechtes Omen für eine Präsidentschaft, die viele Franzosen jetzt nur allzu gerne abhaken.

Mehr Macht als andere

Von allen Staatsoberhäuptern der Europäischen Union hat der französische Präsident die wohl größten Vollmachten - häufig ist deswegen von einem "republikanischen Monarchen" die Rede. Seine starke Stellung verdankt er der Verfassung der 1958 gegründeten Fünften Republik, deren erster Präsident General Charles de Gaulle war.

Der Staatschef wird in Frankreich seit 1965 direkt vom Volk gewählt und kann ein Mal wiedergewählt werden. Seit 2002 beträgt seine Amtszeit fünf statt wie zuvor sieben Jahre.

Frankreichs Staatschef ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte und hat in der Verteidigungs- und Außenpolitik das Sagen. Er kann Soldaten ohne Parlamentsbeschluss in Auslandseinsätze schicken, erst bei einer Dauer von mehr als vier Monaten bedarf dies der Zustimmung der Parlamentarier. Außerdem verfügt der Präsident über die Geheimcodes zum Einsatz von Atomwaffen.

Der Staatschef ernennt den Premierminister und auf dessen Vorschlag die übrigen Minister, leitet die wöchentlichen Kabinettssitzungen und nimmt Ernennungen für die wichtigsten Staatsämter vor. Er unterschreibt Gesetze, kann Dekrete erlassen und in bestimmten Fragen ein Referendum anordnen. In Krisenzeiten kann er den Notstandsartikel 16 anwenden, der ihm nahezu uneingeschränkte Vollmachten gibt, oder wie nach den Anschlägen vom 13. November 2015 den Ausnahmezustand verhängen.

Der Staatschef ist gegenüber dem Parlament nicht verantwortlich und kann die Nationalversammlung auflösen. Durch eine 2007 beschlossene Verfassungsänderung ist er im Amt vor Strafverfolgung ausdrücklich geschützt. Das Parlament kann den Präsidenten nur bei schweren Amtsverfehlungen mit Zweidrittelmehrheit absetzen.

Seine Macht wird jedoch eingeschränkt, wenn er keine eigene Mehrheit in der Nationalversammlung hat und der Premierminister deswegen aus einem anderen politischen Lager kommt. Eine solche Kohabitation gab es bereits drei Mal, zuletzt 1997 bis 2002. Damals musste der konservative Staatschef Jacques Chirac mit dem sozialistischen Premierminister Lionel Jospin auskommen.

Dass es seit 2002 keine Kohabitation mehr gab, hat einen einfachen Grund: Seitdem wird die Nationalversammlung immer im gleichen Jahr gewählt wie der Präsident. Und die Franzosen haben ihrem gewählten Präsidenten seitdem immer auch eine Parlamentsmehrheit verschafft.

Die Handlungsmöglichkeiten des Präsidenten sind außerdem durch die Mitgliedschaft Frankreichs in der EU und der Eurozone beschränkt. Viele wichtige Entscheidungen werden nicht mehr auf nationaler Ebene, sondern auf EU-Ebene getroffen - und da ist der französische Präsident nur einer unter vielen.

(APA/dpa/Reuters)

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