Brüssel legt gegen Orbán nach

Auch in Ungarn regt sich seit Monaten Widerstand gegen Orbáns Angriff auf die Zivilgesellschaft und die Central European University.
Auch in Ungarn regt sich seit Monaten Widerstand gegen Orbáns Angriff auf die Zivilgesellschaft und die Central European University.(c) REUTERS (LASZLO BALOGH)
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Kommission ist wegen Schikanen von Ungarns Regierung gegen Central European University und Nichtregierungsgruppen auf dem Weg zum EU-Gerichtshof.

Brüssel. Zwei Schritte nach vorn, einen zurück: Seit Viktor Orbán Ende Mai 2010 erneut Ministerpräsident Ungarns geworden ist, spielt er beim Umbau des magyarischen Staatswesens in ein autoritäres System ohne echte Gewaltenteilung mit der Europäischen Kommission Katz' und Maus. Von der Beseitigung als politisch unzuverlässig betrachteten Richtern durch eine Neufassung ihrer Pensionsvorschriften über die Verschiebung der privaten Pensionsersparnisse in einen Staatsfonds bis hin zu einem umstrittenen Mediengesetz legte der nationalkonservative Befürworter einer „illiberalen Demokratie“ stets mächtig vor, um nach der Eröffnung von Brüsseler Vertragsverletzungsverfahren Teile seiner angefochtenen Reformen zurückzunehmen, ohne ihren Zweck dadurch zu mindern: die Konzentration politischer Macht bei der Fidesz, seiner Partei.

Doch in zwei aktuellen Verfahren ist die Kommission willens, nicht länger zuzuschauen und stattdessen notfalls bis zum Gericht der Europäischen Union in Luxemburg zu gehen. Am Donnerstag beschloss die Behörde erstens, dass sie ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn wegen dessen Gesetz über Nichtregierungsorganisationen eröffnet. Zweitens stellte sie fest, mit den Begründungen der ungarischen Regierung in der Frage der Central European University in Budapest nicht zufrieden zu sein und zur zweiten Stufe des laufenden Vertragsverletzungsverfahrens fortzuschreiten. Wenn Orbáns Regierung diese zweite Angelegenheit nicht binnen Monatsfrist im Sinne der Kommission löst, sieht man sich in Luxemburg vor den Richtern.

Nicht im Einklang mit EU-Recht

Der niederländische Vizepräsident der Kommission, Frans Timmermans, ließ dazu Folgendes erklären: „Die Zivilgesellschaft ist das Gerüst unserer demokratischen Gesellschaften. Deshalb darf sie in ihrem Wirken nicht über Gebühr eingeschränkt werden. Wir haben das neue Gesetz über nichtstaatliche Organisationen gründlich geprüft und sind zum Schluss gekommen, dass es nicht im Einklang mit dem EU-Recht steht.“ Dieses neue Gesetz wurde am 13. Juni beschlossen und schreibt vor, dass Nichtregierungsgruppen, die jährlich mehr als 7,2 Millionen Forint (rund 24.000 Euro) an Spenden aus dem Ausland erhalten, sich mit dem Vermerk „vom Ausland unterstützte Organisation“ registrieren lassen. Diesen Vermerk müssen sie in allen Veröffentlichungen, auf ihren Websites und in ihrem Pressematerial führen.

Außerdem dürfen künftig Staatsorgane die Höhe der Überweisungen und detaillierte Angaben über die Geldgeber veröffentlichen. Die Kommission ist der Ansicht, dass dieses Gesetz gegen das Recht auf Vereinigungsfreiheit, das Recht auf Achtung des Privatlebens sowie des Schutzes personenbezogener Daten verstoße und den freien Kapitalverkehr beschränke.

Die Central European University (CEU), die vom ungarisch-amerikanischen Hedgefonds-Milliardär und Philantropen George Soros gegründet wurde, wird von Orbán mittels einer am 4. April in Kraft getretenen Novelle des Hochschulgesetzes schikaniert. Sie sieht unter anderem vor, dass die CEU auch in den USA einen Hochschulcampus eröffnen müsste, und zwar bis spätestens 1. Jänner 2018. Da sie allerdings gezielt als Hochschule für Mitteleuropa gedacht ist, wäre das eine finanzielle und organisatorische Schikane höchsten Grades. Die Kommission sieht in diesem Fall durch Ungarn den freien Dienstleistungsverkehr, die Niederlassungsfreiheit, das Recht auf akademische Freiheit, das Recht auf Bildung sowie die unternehmerische Freiheit verletzt.

Feindbild Soros

Der in Budapest geborene, dem Judenmord durch die Nazis und ihre ungarischen Verbündeten im Zweiten Weltkrieg nur knapp entkommene George Soros ist Orbán seit einiger Zeit ein Dorn im Auge. Orbán verbreitete jüngst im Staatsfunk die Behauptung, Soros stecke hinter einer Verschwörung, die Millionen von muslimischen Einwanderern nach Europa bringen wolle. Auf Plakaten der Regierung werden die Ungarn aufgefordert, dafür zu sorgen, dass dass Soros „nicht als Letzter lacht“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2017)

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