Derzeit gibt es keine Chance auf eine zweite EU-Volksabstimmung in Großbritannien, aber die verfahrenen Verhandlungen könnten noch ein Umdenken bewirken.
London/Wien. Die EU-Mitgliedschaft ist nicht nur des Teufels. Und nicht alle Regeln, die in Brüssel entstehen, sind sinnlos oder kontraproduktiv. Diese Erkenntnis reift auch in der aktuellen britischen Regierung heran. Noch im Herbst will London – Brexit hin oder her – die neuen EU-Regeln zum Datenschutz per Abstimmung im Unterhaus in nationales Recht übernehmen. Insgesamt dürfte Großbritannien Tausende EU-Gesetze beibehalten oder in Zukunft weiterhin abschreiben, selbst wenn es aus der Gemeinschaft austritt. Dass sich die Austrittsverhandlungen weit komplizierter darstellen, als dies für die Regierung unter Premierministerin Theresa May in der Vorbereitung klar war, sickert ebenso in die Gedanken der britischen Führungseliten ein. Von der Frage, ob angesichts dessen eine neuerliche Brexit-Volksabstimmung sinnvoll wäre, ist das Land dennoch weit entfernt. „Ich glaube nicht, dass wir in nächster Zeit ein zweites Referendum haben werden. Ich denke, man muss mindestens zwei Jahre warten, bis die Menschen eine Entscheidung überdacht haben“, betonte kürzlich der ehemalige britische Europaminister Denis MacShane in einem Interview mit „Euractiv“.
Die aktuelle Regierung denkt nicht an eine neue Abstimmung. Gebetsmühlenartig hat Premierministerin May immer wieder betont, „Brexit means Brexit!“. Unter ihrer Führung wird es kein zweites Referendum geben. Doch bis zum voraussichtlichen Ende der Austrittsverhandlungen ist noch viel Zeit, politische Machtverhältnisse und Stimmungen können sich bis dahin noch ändern. „Bis 2019 könnten die Briten durchaus in der Stimmung sein, nochmals über den Entscheid nachzudenken“, schrieb der britische Schriftsteller Ian McEwan in einem Beitrag für die „Neue Zürcher Zeitung“.