Regierung vor EuGH für Schiedsgerichte

Gerichtshof der EU in Luxemburg
Gerichtshof der EU in Luxemburg(c) imago/Ecomedia/Robert Fishman
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Das Bundeskanzleramt intervenierte vor dem EuGH zugunsten der Zulässigkeit von Schiedsgerichten.

Brüssel. Sollen Staaten ihre Streitigkeiten mit ausländischen Investoren vor Schiedsgerichten austragen dürfen? Bundeskanzler Christian Kern lehnt das klar ab. „Es ist nicht nachzuvollziehen, warum in einem Rechtsstaat wie Österreich im Streitfall nicht die ordentlichen Gerichte entscheiden sollten, sondern neue Handelsgerichte“, sagte er zum Beispiel am 8. Juli 2016 in „News“. „Es geht um eine Machtverschiebung weg von Politik und Rechtsstaat hin zu Schiedsgerichten“, mahnte er am 14. September im Nationalrat. „Staatliche Souveränität wird eingeschränkt.“

Doch abseits der medialen Aufmerksamkeit, im diskreten Verfahren vor dem Gerichtshof der EU in Luxemburg, ist die Position der Juristen des Bundeskanzleramtes gegenteilig: bilaterale Abkommen zur Förderung und zum Schutz von Investitionen sind mit dem Europarecht vereinbar und zu verteidigen.

Das zeigt ein Anlassfall, der schnell erzählt ist. Im Jahr 2006 machte die Slowakei die Öffnung ihres Marktes für Krankenversicherungen teilweise rückgängig und verbot es Versicherern wie dem niederländischen Konzern Achmea, Gewinne an ihre Eigentümer auszuschütten und Versicherungsportfolios zu verkaufen. Für Achmea ging es um 22,1 Millionen Euro, um die es sich enteignet fühlte. 2008 rief der Konzern darum jenes Schiedsgericht in Frankfurt am Main an, auf das sich die Niederlande und die Tschechoslowakei 1991 beim Abschluss ihres bilateralen Investitionsschutzabkommens geeinigt hatten (die Slowakei hat es 1993 übernommen). Die slowakische Regierung klagte vor deutschen Gerichten gegen die Vereinbarkeit dieses Abkommens mit dem Unionsrecht, und so landete die Causa in Luxemburg. Österreich hat sich auf der Seite des niederländischen Konzerns in das Verfahren eingebracht.

„Geht nicht um gut oder böse“

Die Antwort auf die Rechtsfrage ist nach Sicht des belgischen Generalanwaltes Melchior Wathelet eindeutig: ja, der bilateral zwischen EU-Staaten vereinbarte Investitionsschutz ist zulässig, befand er im Schlussantrag vom 19. September. Dem dürfte der Gerichtshof in seinem Urteil folgen.

Die politisch interessante Frage aber lautet: wieso legen sich die Juristen des Kanzleramts mit einer schriftlichen Eingabe extra für ein bilaterales Schiedsgericht ins Zeug, das man daheim dezidiert ablehnt? „Es geht hier nicht um die Frage, ob Schiedsgerichte gut oder böse sind“, sagte Kerns Sprecher Nikolai Moser auf Anfrage der „Presse“. Man sei vielmehr der Ansicht, dass Investitionsfragen in die Zuständigkeit der nationalen Parlamente fallen. Diese Kompetenzfrage war aber nicht Gegenstand des Verfahrens, um das es hier geht.

Was genau die Verfassungsjuristen vom Ballhausplatz in Luxemburg vorbrachten, ist nicht verfahrensöffentlich – und somit Verschlusssache.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.10.2017)

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