Der für den EU-Austritt zuständige Minister David Davis versicherte in Wien das Festhalten an hohen Produktions- und Umweltstandards, was britische Medienvertreter erstaunte.
Wien. Zuerst gab es einen Überraschungseffekt: Der britische Brexit-Minister David Davis war am Dienstag nach Wien gereist, um eine Rede zur „Regulierung“ zu halten, nicht zur „Deregulierung“, wie viele erwartet hatten. Er versprach, dass sein Land auch nach dem EU-Austritt an „hohen Standards“ im Sinne von Konsumenten, Steuerzahlern, Arbeitnehmern und der Umwelt festhalten werde. Vor rund 60 Vertretern österreichischer Unternehmen und Journalisten versicherte Davis: „Wir haben mit dem Brexit-Referendum nicht den Auftrag erhalten, Europa zu unterminieren.“
Davids Rede zählt zu einem Redemarathon, mit dem britischen Minister derzeit über die weitere Zusammenarbeit mit den bisherigen EU-Partnern informieren wollen. Nach dem Auftritt von Außenminister Boris Johnson in London und der Rede von Theresa May bei der Münchner Sicherheitskonferenz, hat Davis vor allem die weitere wirtschaftliche Zusammenarbeit in den Vordergrund gerückt.
Der Brexit-Minister würdigte zwar die „Ideen der Österreichischen Schule“ für freie Märkte, wies dann aber darauf hin, dass Regulierung notwendig sei. Sie würde „Unternehmen in Bezug auf Investitionen und Konsumenten in Bezug auf deren Nutzen Sicherheit geben“. Ängste, dass nun ein „anglosächsischer Wettlauf“ um Deregulierung stattfinden werde, verwarf Davis ausdrücklich.
Davis verspricht hohe arbeitsrechtliche Standards
Insbesondere wies er daraufhin, dass Großbritannien an der Reduzierung von Treibhausgasen festhalten werde. „Die Herausforderungen des Wettbewerbs mit dem Rest der Welt werden weder von der EU noch von Großbritannien durch eine Reduzierung der Standards gewonnen werden.“ Hohe Qualität bei Produkten und Dienstleistungen sei die einzige Antwort. Davis, der für seine Rede den Saal der Industriellenvereinigung wählte, sprach sich dezidiert auch für hohe arbeitsrechtliche Standards aus und verwies dabei auf die bisherige europäische Linie. „Von Linz bis London, von Salzburg bis Stirling – wir haben alle dabei geholfen, Arbeitnehmer vor ausbeuterischen Praktiken zu schützen.“ Auch davon wolle er nicht Abstand nehmen.
In Zukunft, so der Brexit-Befürworter, sei es notwendig, auch von seinem Land aus die weltweiten Normen zu setzen. Als Beispiel nannte Davis Drohnen. Hier baue seine Regierung auf neue Maßnahmen und Regeln, um die Nutzung dieser neuen Technik sicher zu gestalten.
Was den britischen Minister mit all seinen Versicherungen antrieb, war bald allen im Saal klar: London will signalisieren, dass es sich von den Regeln des EU-Binnenmarkts nicht entfernen wird. Es will keine Argumentation für mögliche künftige Handelsbeschränkungen liefern. „Keine Seite sollte in diesem Prozess versuchen, neue Handelsbarrieren aufzubauen“, so Davis.
Vertreter der britischen Medien, die ebenfalls nach Wien angereist waren, reagierten dennoch erstaunt. Sie erinnerten daran, dass heutige Regierungsvertreter vor dem Brexit-Referendum noch versprochen hatten, sich von der Überregulierung in der EU befreien zu wollen. Jetzt verspreche Davis aber ein Festhalten genau daran.
Der britische Minister forderte letztlich drei Voraussetzungen für ein weiteres faires Nebeneinander der 27 EU-Mitgliedstaaten und Großbritannien: Erstens Fairness im Sinne eines fairen Wettbewerbs, zweitens Fairness im Sinne der Konsumenten und drittens Fairness durch gegenseitigen Respekt. Letzteres schließe auch Verständnis dafür ein, dass die britische Bevölkerung eine souveräne Entscheidung getroffen habe, die EU zu verlassen.
Verständnis für Brexit-Gegner
Davis reagierte auch auf eine jüngste Umfrage der Gesellschaft für Europapolitik, bei der sich eine Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher gegen den britischen EU-Austritt ausgesprochen hatte. Auf eine diesbezügliche Frage der „Presse“ zeigte er Verständnis: „Es gibt viele Menschen, die darüber traurig sind.“ Aber Großbritannien werde an den engen Verbindungen festhalten „Wir werden gute Nachbarn bleiben.“
Davis war vor seiner Rede mit Außenministerin Karin Kneissl und Kanzleramtsminister Gernot Blümel zusammengetroffen, um sie über die jüngsten Entwicklungen in den Austrittsverhandlungen zu informieren.
ZUR PERSON
David Davis (* 1948, in York) ist seit Juli 2016 britischer Minister für den EU-Austritt. Der studierte Molekularwissenschaftler arbeitete 15 Jahre lang in einem internationalen Nahrungsmittelkonzern, bevor er 1987 in die Politik ging. Frühere Regierungsämter bekleidete er u. a. als Wissenschaftsminister und Staatssekretär im britischen Außenministerium.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2018)