Parteitag: "Dancing Queen" May verteidigt Brexit-Pläne

Theresa May
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Notfalls wäre die britische Premierministerin aber bereit, die EU ohne eine Austrittsvereinbarung zu verlassen. Das sagte sie auf dem Parteitag in Birmingham.

Die britische Premierministerin Theresa May hat ihre Konservative Partei im Brexit-Streit zur Geschlossenheit aufgerufen. "Die Verhandlungen gehen nun in ihre schwierigste Phase", sagte May am Mittwoch in ihrer Rede beim Parteitag der Tories in Birmingham. "Wenn wir zusammenhalten und die Nerven behalten, können wir ein zufriedenstellendes Abkommen für Großbritannien erreichen."

Nach einer desaströsen Rede im vergangenen Jahr gelang May dieses Mal eine Ansprache ohne Pannen. Sie wirkte gelöst, kam tänzelnd zu dem ABBA-Song "Dancing Queen" auf die Bühne und gab sich optimistisch: Großbritannien stehe nach dem EU-Austritt eine rosige Zukunft bevor. "Die besten Tagen liegen vor uns, und die Zukunft ist voller Versprechen."

Im Jahr 2017 war Mays Parteitagsrede zum Fiasko geraten: Zuerst konnte sie vor Hustenanfällen kaum sprechen, dann überreichte ihr ein Komiker ein Entlassungsschreiben und schließlich fielen auch noch hinter ihr die Buchstaben des Parteitagsmottos von der Wand.

May steht wegen ihrer Brexit-Pläne derzeit massiv unter Druck - innerhalb und außerhalb ihrer Partei. Der harte Brexit-Flügel der Konservativen wirft ihr zu weitreichende Zugeständnisse an die EU vor. Am Dienstag hatte Ex-Außenminister Boris Johnson den Kurs der Regierungschefin bei seinem Parteitagsauftritt als "gefährlich und unbeständig" kritisiert. Mays Plan bedeute eine "politische Demütigung", sagte Johnson.

May will eine Freihandelszone mit der Europäischen Union für Waren, aber nicht für Dienstleistungen wie Bankgeschäfte. Dafür soll sich Großbritannien eng an Produktstandards und andere Regeln des EU-Binnenmarkts halten. Zollkontrollen am Ärmelkanal und zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland sollen durch ein kompliziertes System von gegenseitigen Absprachen verhindert werden.

May warf Brüssel Mangel an Respekt bei den Brexit-Verhandlungen vor. "Ich habe die EU mit nichts anderem als Respekt behandelt - und Großbritannien erwartet das Gleiche", sagte die Premierministerin. Großbritannien will sich im März 2019 von der EU trennen. Die Verhandlungen zwischen London und Brüssel scheinen allerdings in einer Sackgasse zu sein. Bei einem ungeregelten Brexit werden große politische und wirtschaftliche Verwerfungen befürchtet.

Die Regierungschefin teilte während ihrer Rede heftig in Richtung Labour-Opposition aus: Millionen Nicht-Tory-Wähler seien "erschüttert, was Jeremy Corbyn seiner Partei angetan hat". Der Alt-Linke setzt vor allem auf soziale Themen wie Wohnungsbau und hat viele Anhänger unter den jungen Wählern. Im Hinblick auf ihre eigene Partei sagte May: "Wir müssen eine Partei für das ganze Land sein."

Am Vortag hatte die Regierung die neuen Pläne für Einwanderer vorgestellt, deren Zahl deutlich gesenkt werden soll: EU-Migranten werden es demnach in Zukunft in Großbritannien schwerer haben. Künftig werden sie im Vergleich zu Einwanderern aus anderen Teilen der Welt nicht mehr bevorzugt behandelt.

Vor allem Arbeitssuchende mit niedriger Qualifikation dürften es schwerer haben. Wer in Großbritannien leben und arbeiten möchte, muss ein Mindestgehalt vorweisen. Familiennachzug soll nur mit Hilfe des Arbeitgebers möglich sein. Touristen müssen sich vor Reisen einer Sicherheitsprüfung unterziehen. Bereits in Großbritannien lebende EU-Bürger sollen nicht von den neuen Regeln betroffen sein.

Ex-Minister Johnson stellte in Birmingham Mays Führungsrolle als Premierministerin nicht ausdrücklich infrage. Spekulationen des "Daily Telegraph" zufolge steht Mays Zukunft aber weiter auf dem Spiel. Innerhalb ihres Kabinetts gehe es nicht mehr um die Frage, ob sie Regierungschefin bleibe, sondern wann sie gehe. Möglicherweise könnte dies schon direkt nach dem EU-Austritt Ende März der Fall sein. Ein Abgeordneter aus Mays Fraktion entzog ihr bereits am Mittwoch öffentlich das Vertrauen.

Europaminister Gernot Blümel (ÖVP) bekräftigte unterdessen am Mittwoch das Ziel, die Brexit-Verhandlungen "mit einem Deal zwischen der EU und Großbritannien" abzuschließen. "Dazu braucht es aber den entsprechenden Willen von beiden Seiten. No Deal bedeutet 'Lose-Lose' - das sollte mittlerweile allen klar sein", so der amtierende Ratsvorsitzende in einer der APA übermittelten Stellungnahme.

"Die Brexit-Abstimmung hat bereits einmal gezeigt was passiert, wenn aus Populismus Realität wird", betonte Blümel. "Daher hoffe ich sehr, dass die innenpolitischen Diskussionen in UK bald beendet sind, damit an einer vernünftigen Zukunftslösung gearbeitet werden kann. Sowohl innerhalb UK als auch gegenüber der EU scheinen sich momentan die Fronten zu verhärten. Diese Situation ist aus unserer Sicht beunruhigend." Der Minister kündigte an, nächste Woche nach Großbritannien und Irland zu reisen. Der Besuch ist für Donnerstag und Freitag geplant.

EU setzt vor nächstem Gipfel Brexit-Abendessen an

Die EU räumt den zähen Verhandlungen über den Brexit auf dem nächsten Gipfel in zwei Wochen mehr Zeit ein. Die Details des Ausstiegs Großbritanniens aus der EU sollen von den 27 Staats- und Regierungschef bereits im Rahmen eines Abendessens am 17. Oktober diskutiert werden, teilte der Rat der EU am Mittwoch in Brüssel mit.

Für den 18. Oktober ist der reguläre Gipfel geplant, an dem auch die britische Premierministerin Theresa May teilnehmen wird. Angestrebt wird dabei eine Einigung der Staats- und Regierungschefs auf einen endgültigen Ausstiegsvertrag, der von May grundsätzlich angenommen werden kann. Damit wäre der Weg frei für einen Sondergipfel am 17. und 18. November in Brüssel, auf dem unter anderem über die künftigen Handelsbeziehungen gesprochen werden soll. Das Königreich verlässt die EU Ende März 2019.

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Theresa MayAPA/AFP/OLI SCARFF

(APA)

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