Innenministerrat: „Grenzkontrollen unterminieren Schengen“

Durch die Verlängerung der Grenzkontrollen werde „Schengen unterminiert“, so Dimitris Avramopoulos.
Durch die Verlängerung der Grenzkontrollen werde „Schengen unterminiert“, so Dimitris Avramopoulos. APA/HANS PUNZ
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Widerstand gegen verlängerte Binnenkontrollen durch Berlin und Wien. Aber kein Fortschritt bei Außengrenzschutz.

Luxemburg. Hat die Aufrechterhaltung von Grenzkontrollen an EU-Binnengrenzen tatsächlich mit der Sicherheitslage zu tun, wie der deutsche und österreichische Innenminister behaupten? Oder sind sie vor allem ein politisches Statement? Die EU-Kommission dürfte die Verlängerung zwar akzeptieren, möchte aber dennoch genau diese Frage prüfen. Nach Österreich haben am Freitag nämlich auch Dänemark und Deutschland trotz sinkender Zahlen an Migranten die Verlängerung von Kontrollen zu EU-Nachbarländern um weitere sechs Monate angekündigt. Im Fall von Deutschland geschah dies zwei Tage vor der Landtagswahl in Bayern durch Innenminister und CSU-Chef Horst Seehofer.

Der zuständige EU-Migrationskommissar zeigte am Rande des Treffens der EU-Innenminister in Luxemburg wenig Verständnis: Durch die Verlängerung der Grenzkontrollen werde „Schengen unterminiert“, so Dimitris Avramopoulos. Europa dürfe nicht in die Vergangenheit mit „geschlossenen Grenzen zurückkehren“. Kritik an den österreichischen Kontrollen kam zuvor bereits von Slowenien. „Wir sehen das als Zeichen des Misstrauens und als Akt, der nicht im Einklang mit europäischen Maßstäben ist“, sagte Ministerpräsident Marjan Šarec. Neben Österreich, Dänemark und Deutschland führen im Schengenraum auch Frankreich, Schweden und Norwegen weiter Grenzkontrollen durch.

Sowohl Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) als auch Seehofer argumentierten mit dem ungelösten Problem des Außengrenzschutzes. Er stand auch auf der Tagesordnung des Innenministerrats in Luxemburg, der am Freitag in dieser Frage ohne Durchbruch zu Ende ging. Nach wie vor sind sich die EU-Mitgliedstaaten nicht über die angekündigte Aufstellung von 10.000 Sicherheitskräften und einem ausgeweiteten Mandat für die Grenzschutzagentur Frontex einig. Mehrere Mitgliedstaaten bremsen bei der Bereitstellung des dafür erforderlichen Personals und sind gegen zu viele Befugnisse einer solchen Grenzschutztruppe. „Wir würden auch gern wissen, wie die Kommission auf die Zahl von genau 10.000 Beamten kam“, sagte eine EU-Diplomatin vor Beginn des Ministertreffens. Hinter Brüsseler Kulissen erzählt man sich, dass diese eindrucksvoll klingende Zahl vom mächtigen Generalsekretär Martin Selmayr verfügt wurde, um dem Vorwurf mancher Mitgliedstaaten entgegenzutreten, die Kommission nähme die Debatte um den Schutz der Außengrenzen nicht ernst genug. Die bisherige ständige Personalreserve, rund 1500 Mann, wurde bis jetzt noch kein einziges Mal eingesetzt.

Abseits der offiziellen Diskussionspunkte gewinnt ein Thema an Bedeutung, das derzeit nur informell von den Ministern und ihren Mitarbeiterstäben erkundet wird. Kontrollierte Asylzentren an den Innengrenzen der Schengenstaaten sollen dabei helfen, das Problem der Sekundärmigration in den Griff zu bekommen. Das betrifft Asylwerber und irreguläre Migranten, die sich nicht an ihre Verpflichtung halten, in ihrem zuständigen EU-Staat zu bleiben, sondern unerlaubterweise von Land zu Land reisen, vor allem in Richtung der reicheren nördlichen Staaten. Drei EU-Diplomaten verschiedener Mitgliedstaaten bestätigten dieser Tage gegenüber der „Presse“ Gespräche über solche fliegenden Kommissionen von Asylverfahrensexperten, die an Brennpunkten in der Schengenzone spontan Stellen zur Registrierung irregulärer Migranten einrichten könnten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2018)

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