EU legt gegenüber China die Samthandschuhe ab

Chinas Außenminister, Wang Yi, wies die Kritik der Europäer brüsk zurück.
Chinas Außenminister, Wang Yi, wies die Kritik der Europäer brüsk zurück. APA/AFP/EMMANUEL DUNAND
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Erstmals werden die Chefs der EU-Staaten eine Debatte über den Umgang mit China führen. Die EU-Kommission hat die Volksrepublik als „systemischen Rivalen“ bezeichnet, doch einige Regierungen schwächeln.

Brüssel. Zweimal war das Thema China bereits für einen Europäischen Rat angesetzt, beide Male grätschte die Eurokrise dazwischen. Doch bei diesem Gipfeltreffen Ende der Woche wollen sich die Staats- und Regierungschefs der Union trotz der Brexit-Krise zumindest ein bisschen Zeit nehmen, um Europas strategischen Umgang mit dem Regime in Peking zu diskutieren.

Die Europäische Kommission hat dafür eine Blaupause geliefert. Und sie ist wesentlich schärfer formuliert als ihr Vorgängerpapier aus dem Jahr 2016. „China ist gleichzeitig in verschiedenen Politikfeldern ein kooperativer Partner, mit dem die EU eng abgestimmte Ziele hat, ein Verhandlungspartner, mit dem die EU einen Ausgleich der Interessen finden muss, ein wirtschaftlicher Wettbewerber im Rennen um technologische Führerschaft und ein systemischer Rivale, der alternative Modelle des Regierens fördert“, heißt es in der am vorigen Dienstag von der Kommission beschlossenen 16-seitigen Mitteilung.

„Abnormal und unmoralisch“

„Systemischer Rivale“: Das hört man in Peking nicht gern, und so wies Chinas Außenminister, Wang Yi, die Kritik der Europäer am Montag nach seinem Treffen mit den EU-Außenministern in Brüssel brüsk zurück. „Abnormal und unmoralisch“ sei es, wenn beispielsweise in vielen Mitgliedstaaten die Teilnahme des chinesischen Telekomkonzerns Huawei am Bau der 5G-Datennetze ausgeschlossen werden soll, weil man Huawei der Handlangerdienste für Chinas Spionagedienste verdächtigt.

Die 5G-Frage ist einer der Angelpunkte des strategischen Nachdenkens über China in Europas Regierungen. Die Kommission wird in den Wochen nach dem Gipfeltreffen am Donnerstag und Freitag eine Empfehlung vorlegen, wie die Mitgliedstaaten ihre nationalen Strategien zur Entdeckung und Beseitigung von Sicherheitslücken beim 5G-Aufbau aufeinander abstimmen können.

Abseits dessen ist nun in vielen Hauptstädten das Bewusstsein verankert, dass der bisherige Umgang mit Chinas totalitärer Staatsführung die Europäer sowohl wirtschaftlich in die Bredouille bringt als auch ihren moralischen Ansprüchen nicht gerecht wird. „Wir müssen aufhören, naiv zu sein“, sagte ein EU-Botschafter dieser Tage zur „Presse“. „Es funktioniert offensichtlich nicht, dass die einzelnen Chefs nach China reisen und nur über die Wirtschaft reden, und die unangenehme Arbeit, über Menschenrechte und Ähnliches zu reden, überlassen sie den Chefs der EU-Institutionen.“

Achillesferse Italien

Doch geeint ist Europas Front nicht. Denn nicht nur lassen sich viele osteuropäische Staaten von chinesischen Darlehen und Bauprojekten locken. Mit dem Amtsantritt der populistischen Koalitionsregierung in Rom ist Italien zur Achillesferse der Union geworden: Peking versucht die Kontrolle über den alten k. k. Hafen Triest zu erlangen; ein Abkommen über seine Einbindung in die Neue Seidenstraße ist unterschriftsreif.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.03.2019)

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