Saudiarabien: Der „Frauenrat“ der Männer

Wenn ein neu gegründetes Gremium für Frauenthemen nur als Männerverein in Erscheinung tritt, hat das schon was . . .
Wenn ein neu gegründetes Gremium für Frauenthemen nur als Männerverein in Erscheinung tritt, hat das schon was . . . (c) REUTERS (FAHAD SHADEED)
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Bizarre Premiere im islamischen Land: Da wird in einer Provinz ein beratendes Gremium für Frauenthemen gebildet, und als es sich vorstellt, sieht man darin nur Männer.

Riad. Gut gemeint muss bekanntlich nicht immer automatisch gut gemacht bedeuten. Dies erfuhr dieser Tage Prinz Faisal bin Mishal bin Saud, Gouverneur der zentralsaudischen Provinz Qassim: Als erster höherer Politiker der islamisch-sittenstrengen Heimat des Propheten Mohammed proklamierte er einen regionalen „Frauenrat“, der die Anliegen der weiblichen Bevölkerung transportieren und voranbringen soll.

Schließlich will sich die ultrakonservative Ölmonarchie angeblich gesellschaftlich modernisieren und sogar Frauen mehr Rechte geben, um diese endlich stärker am Arbeitsleben, und nicht nur am Konsumleben, zu beteiligen.

Was dann allerdings nun bei der Premiere des neuen Gremiums zu sehen war, sorgte in der Twitter-Welt des wüstenhaften 33-Millionen-Landes für reichlich Spott: Da saßen nämlich tatsächlich 13 Männer auf der Bühne, aber keine einzige Frau. Nicht, dass es in diesem Rat gar keine Frauen gäbe – aber diese blieben, wie im Land halt so üblich, unsichtbar in einem Nebenraum verwahrt und standen mit dem öffentlichkeitswirksamen Männergeschehen lediglich per Videolink in Verbindung.

„Männer geben sich als Frauen“

„Satire? Komödie? Nein – das ist die Realität“, schimpfte darauf eine Kommentatorin im Internet. „Das ist wahrer Fortschritt: Zum ersten Mal geben sich Männer als Frauen“, ätzte eine andere.

Die Posse zeigt, in welche Sackgasse sich das Königreich mit seiner strikten Scharia-Trennung der Geschlechter hineinmanövriert hat. Nicht nur in der Provinz Qassim (rund 1,5 Millionen Einwohner, Hauptstadt: Buraida), auch sonst wo im Alltag führt dies regelmäßig zu grotesken Situationen. Dass Frauen in diesem Staat etwa nicht Auto fahren dürfen, gehört mittlerweile zum globalen Allgemeinwissen. Als Kleidung sind ihnen körperlange dunkle Abayas und Kopftücher vorgeschrieben. Wer als Mann zum Essen in ein Privathaus eingeladen ist, wird in der Regel mit einem reich gedeckten Tisch empfangen, bekommt die Herrin des Hauses aber meist nicht zu Gesicht. Stattdessen werkelt der Hausherr, so gut er kann, an dem Braten herum. Erst wenn seine Gästerunde zum Kaffee ins Wohnzimmer umzieht, haben Ehefrau und Töchter wieder Zutritt, um den abgegessenen Tisch abzuräumen.

Ähnlich funktioniert jedes Restaurant im Land – selbst ein westlich-profanes wie ein McDonald's: Männer essen in einem schönen vorderen Bereich, ein kleinerer Trakt dahinter ist für Frauen und Ehepaare mit Kindern reserviert.

Man/frau lebt nebeneinander

Strikt getrennt lebt man auch an Schulen und Universitäten nebeneinander. Einzige Ausnahme ist die abgelegene König-Abdullah-Universität für Wissenschaft und Technologie in Thuwal am Roten Meer nahe Mekka, die vor auswärtigen Besuchern wie ein Hochsicherheitsgefängnis abgeschottet wird. Die Verantwortlichen wollen die konservative Geistlichkeit nicht reizen mit Fotos von Studentinnen und Studenten, die gemeinsam im Hörsaal sitzen, in der Mensa essen oder auf dem Campus diskutieren.

Der im Reformplan Vision 2030 ausgerufene Aufschwung bei der Frauenbeschäftigung jedoch könnte die eisernen Regeln im Land lockern: Bisher arbeiten nur 22 Prozent der erwerbsfähigen Frauen, ein Minusrekord auf Erden, bis 2030 sollen es 30 Prozent sein. Dafür müssen Firmen ihre Räume umbauen, denn Frauen dürfen nur auf eigenen Fluren sitzen oder sind durch hohe Sichtblenden von ihren männlichen Arbeitskollegen getrennt.

Auch die Fahrt ins Büro ist ein Problem. Öffis sind fast unbekannt, sie sollen jetzt ausgebaut werden. Bis dahin müssen Frauen Tag für Tag von einem Mann gebracht und abgeholt werden, entweder vom Privatchauffeur, dem Ehepartner oder einem Taxi. Nicht zuletzt deshalb bekommt die Hauptstadt Riad derzeit für 20 Milliarden Euro eine neue Metro. Und als eines der wenigen staatlichen Megaprojekte fiel sie nicht dem Rotstift zum Opfer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2017)

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