Eine Überdosis Luther

„Weltausstellung Reformation“ in Wittenberg: Die FH Salzburg machte die Flüchtlingstragödien im Mittelmeer zum Thema.
„Weltausstellung Reformation“ in Wittenberg: Die FH Salzburg machte die Flüchtlingstragödien im Mittelmeer zum Thema.(c) FH Salzburg
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Gläubige pilgern dieser Tage an einen Ort, der gar nicht so religiös ist: In die Lutherstadt Wittenberg. Gefeiert werden 500 Jahre Reformation. Ein Beitrag der FH Salzburg wühlt auf.

Die Pointe sitzt: Vor genau 500 Jahren hat Martin Luther in Wittenberg seine 95 Thesen veröffentlicht, vielleicht sogar an die Holztür der Schlosskirche angeschlagen. So genau weiß man das nicht. Es war das Fanal für eine Umwälzung, wie sie das mittelalterliche Europa weder davor noch danach erlebt hat. Am Ende dieses Glaubenstreits, auf den Trümmern des Dreißigjährigen Kriegs, erwuchsen immer neue Kirchen in der Tradition Luthers, die heute Abermillionen Gläubige zählen. Aber in der Lutherstadt Wittenberg, hier, wo alles anfing, glauben sie kaum an die religiösen Lehren des berühmtesten Sohnes, nicht einmal jeder fünfte ist heute Mitglied in einer Kirche. Nicht nur Luther, auch die DDR hat eben Spuren hinterlassen.

Stolz sind sie in dem schrumpfenden 46.000-Einwohner-Ort schon auf den Theologen mit dem Haarkranz, der hier in der Kutte gepredigt, gelehrt und Revolution gemacht hat. Auch wenn manchem die Verlutherung in diesen Tagen zu weit geht. Schon am Bahnhof schraubt sich eine 30 Meter hohe Lutherbibel in den Himmel, die größte der Welt, versteht sich, und der Auftakt für die Weltausstellung Reformation. Auf der Aussichtsplattform oben sieht man die Elbwiesen, wo sich heute zum Finale des Kirchentags zigtausende Gläubige versammeln sollen. In der pittoresken Altstadt gibt es Lutherbier, Luthertomaten, Lutherleibchen, Socken mit Luthersprüchen à la „Hier steh ich, ich kann nicht anders“ oder in Anspielung auf den Thesenanschlag: „Nailed it“. Man kann Reformbrötchen verkosten und dazu Lutherbier trinken, zum Beispiel aus einem großen Abendmahlbecher, der um wohlfeile 12 Euro am Bahnhof zu erwerben ist. Man fragt sich, wie der Bruder Martin diese Kommerzialisierung gefunden hätte, zumal sich seine Lehre ja auch gegen die kirchliche Prunksucht und Ablasshandel gerichtet hat.

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