Erdmassen begraben in China ein ganzes Dorf

Eine riesige Gerölllawine hat am Wochenende in der südwestchinesischen Provinz Sichuan ein gesamtes Dorf unter sich begraben.
Eine riesige Gerölllawine hat am Wochenende in der südwestchinesischen Provinz Sichuan ein gesamtes Dorf unter sich begraben.(c) imago/Xinhua (Xue Yubin)
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Nach dem massiven Erdrutsch in der südwestchinesischen Provinz Sichuan musste die Suche nach Überlebenden wegen Gefahr unterbrochen werden. Die Zahl derartiger Katastrophen hat in China zugenommen.

Peking. Als Rettungshelfer hat Wang Yongbo schon einige Katastrophen erlebt. Doch was er an diesem Morgen zu sehen bekommt, stellt seinen eigenen Worten zufolge „alles Bisherige in den Schatten“. Schutt, Felsbrocken und Geröllmassen – so weit das Auge reicht. Dazwischen Tausende Helfer, die versuchen, noch Überlebende zu finden. „Doch die Chancen sind gering“, sagt Helfer Wang dem chinesischen Staatssender CCTV. „Dieser Erdrutsch war einfach zu gewaltig.“

Eine riesige Gerölllawine hat am Wochenende in der südwestchinesischen Provinz Sichuan ein gesamtes Dorf unter sich begraben. Nach Angaben chinesischer Staatsmedien sind sämtliche 62 Häuser von Xinmo verschüttet. Bis Sonntagnachmittag gelang es den Rettungskräften, zehn Leichen zu bergen, mindestens 120 Menschen gelten als vermisst. Unter dem Geröll begraben ist auch ein Hotel. Wie viele Gäste sich dort zum Zeitpunkt des Unglücks aufhielten, war zunächst nicht bekannt.

Auf einem in sozialen Medien kursierenden Vorher-nachher-Bild ist das gewaltige Ausmaß der Zerstörung zu sehen. Schmiegten sich vor dem Unglück noch weiße Bauernhäuser mit roten Dächern malerisch an den Hang, ist nun vom Dorf nicht einmal mehr ansatzweise etwas zu erkennen. Stattdessen sind nur noch Gesteinsmassen zu sehen. Der nahe gelegene Fluss ist auf einer Länge von zwei Kilometern zugeschüttet. Auf Videoaufnahmen ist zu sehen, wie sich das Wasser einen neuen Weg durch das Geröll bahnt. Die Zufahrtsstraße zum Dorf ist auf einer Länge von 1,6 Kilometern blockiert.

Hilfskräfte müssen Tunnel graben

Eine dreiköpfige Familie entkam dem Unglück nur knapp. „Unser Baby hat mich gerettet“, sagte der verletzte Vater im Krankenhaus dem lokalen Fernsehen. Er habe aufstehen und sich um das Kind kümmern müssen, weil es schrie. Da habe er gemerkt, dass die Erde ins Rutschen gerät. „Meine Frau und ich nahmen das Baby und rannten los.“ Die Familie wurde vom Flusswasser mitgerissen. Sanitäter zogen die drei aus dem Wasser und brachten sie ins Spital.

Für andere endete die Katastrophe tragisch. Zhang Liancheng, der einen Kilometer vom Unglücksort entfernt wohnt, vermisst acht Familienmitglieder. „Ich wachte durch einen lauten Krach um 5.40 Uhr auf. Als ich um sechs Uhr an die Unglücksstelle kam, war das ganze Dorf verschüttet.“

Es ist ein Rennen gegen die Zeit. Erdmassen von mehr als 20 Metern liegen über dem Dorf, berichtet ein Reporter von CCTV. Die Helfer müssen Tunnel graben, um zu den Opfern zu kommen. Anfangs seien noch Lebenszeichen zu hören gewesen, so der Reporter. Später seien diese aber verstummt. Am Montag mussten die Arbeiten unterbrochen werden, weil die Gefahr eines neuen Erdrutsches bestand. Die Radarbeobachtung habe Veränderungen an dem Berghang festgestellt, weshalb die Unglücksstelle evakuiert worden sei, berichtete die Nachrichtenagentur Xinhua.

Ursache der Katastrophe sind laut Experten die heftigen Regenfälle der vergangenen Tage. Zahlreiche Flüsse sind über die Ufer getreten. Laut Feuerwehr ist der Boden so aufgeweicht, dass sich die Erdmassen von einem hohen Berghang lösen konnten. Mehr als drei Millionen Kubikmeter Erde und Steine sind den Berg herabgerutscht.

Das Unglück geschah in einer bergigen Gegend von Sichuan, die besonders von den Minderheiten der Tibeter und der Qiang bewohnt wird. 110.000 Einwohner zählt der Landkreis. Schwere Erdrutsche hat es in dieser Region zwar immer wieder gegeben. Doch die Zahl der Katastrophen ist zuletzt deutlich gestiegen.

Starker Regen und gefällte Bäume

Geologen führen diese Häufung auf die Straßen- und Bergbauarbeiten zurück, deren Zahl massiv zugenommen hat. Zudem seien viele Bäume gefällt worden. Das erhöhe die Erosionsgefahr. Auch das Erdbeben im Jahr 2008, das mit einer Stärke von 7,9 fast 90.000 Menschenleben kostete, habe den Boden instabil gemacht. „Schon schwacher Regen kann eine geologische Katastrophe auslösen“, meint das örtliche Wetteramt. Seit Wochen gibt es im gesamten Südwesten Chinas heftige Regenfälle. Es ist daher mit weiteren Erdrutschen zu rechnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2017)

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