Erdbeben in Kurdengebieten: „Die Stadt ist komplett vernichtet“

Vom Erdbeben zerstört: Die iranische Stadt Sarpol-e Zahab an der Grenze zum Irak hat es am schwersten getroffen.
Vom Erdbeben zerstört: Die iranische Stadt Sarpol-e Zahab an der Grenze zum Irak hat es am schwersten getroffen.(c) APA/AFP/ISNA/POURIA PAKIZEH
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Im Iran und Irak wird nach dem Erdbeben der Stärke 7,3 von Sonntagnacht weiter nach Überlebenden gesucht. Viele Dörfer konnten noch nicht erreicht werden.

Teheran/Bagdad. Die ganze Nacht suchten Menschen in den Trümmern nach ihren Angehörigen – meist nur mit Taschenlampen und Handylichtern. Immer wieder mussten die Helfer wegen der Nachbeben ihre gefährliche Arbeit unterbrechen. Schockierte Überlebende wärmten sich im Freien an offenen Holzfeuern. Erst am Montagmorgen nach Aufgang der Sonne konnten Rettungskräfte mit Suchhunden und Räumgerät in die bergige Grenzregion von Iran und Irak vordringen, wo am Abend zuvor ein schweres Erdbeben zahlreiche Städte und Dörfer zerstört hatte. Seitdem steigen Stunde um Stunde die Zahlen der Opfer und Verletzten.

Am Montagabend sprach das Innenministerium in Teheran in einer ersten Bilanz von mehr als 400 Toten und 6000 Verletzten. Nach Angaben des Iranischen Roten Halbmonds sind mindestens 70.000 Menschen obdachlos geworden. Auf irakischem Gebiet, weil geringer bewohnt, kamen nach ersten Angaben aus Bagdad acht Menschen um und wurden über 530 verletzt. Auch Bewohner in Sulaimaniya und Erbil, den beiden größten Kurdenstädten im Nordirak, erlebten die Erdstöße mit, die dort jedoch keine nennenswerten Schäden anrichteten. Ähnliches haben schiitische Pilger in Najaf und Kerbala berichtet, die sich dort zum Aschurafest aufhalten.

Kollabierte Häuser, zerquetschte Autos

Das Epizentrum der Erdstöße, die eine Stärke von 7,3 auf der Richterskala erreichten, lag auf iranischem Territorium und etwa 200 Kilometer von Bagdad entfernt. Fotos aus der Gegend, die vor allem von Kurden bewohnt ist, zeigen kollabierte Häuser, aufgerissene Fassaden und zerquetschte Autos. Besonders stark betroffen sind nach Angaben des Roten Halbmonds die drei Grenzstädte Qasr e-Shirin, Eslamabad e-Gharb und Sarpol-e Zahab in der Provinz Kermanshah, in denen nach offiziellen Angaben zusammen rund 250.000 Menschen leben.

Mehr als die Hälfte der iranischen Todesopfer stammten aus Sarpol-e Zahab. Auf der Website Khabar Online waren ganze Straßenzüge mit schwer zerstörten Wohnblocks zu sehen – Bilder wie aus einem Krieg. Eine Frau saß weinend in den Trümmern. „Die ganze Stadt ist komplett vernichtet“, sagte einer der Bewohner, nach dessen Angaben weder Wasser noch Strom noch Gas noch Telefon funktioniert. Ein Parlamentsabgeordneter aus Sarpol-e Zahab berichtete der Nachrichtenagentur Ilna, er habe 15 Familienmitglieder verloren.

Die Türkei schickte ein Flugzeug mit Helfern, Decken, Heizkörpern und Zelten. In Teheran versammelten sich die Menschen vor Krankenhäusern, um Blut zu spenden. Die Hospitäler in der Provinzhauptstadt Kermanshah sind von der Zahl der Verletzten total überfordert. Erste schwere Fälle wurden bereits im Lauf des Montags nach Teheran ausgeflogen. Viele Dörfer jedoch sind durch Erdrutsche bislang nicht erreichbar.

Präsident Hassan Rohani erklärte, die Regierung werde alles tun, um den Opfern beizustehen. Der Oberste Revolutionsführer, Ali Khamenei, sprach den Angehörigen sein Mitgefühl aus und forderte die Verantwortlichen auf, „mit aller Kraft und Hingabe den Verletzten zu helfen, speziell jenen, die unter den Trümmern eingeschlossen sind“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.11.2017)

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