Die alte Frau und das Rathaus: Bürgermeisterin mit 90

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Hazel McCallion ist die älteste Bürgermeisterin Kanadas, sie wurde gestern, Montag, 90 Jahre alt. Ihre Popularität ist enorm und scheint trotz massiver Vorwürfe der Vetternwirtschaft weiter ungebrochen.

Ottawa/Bra. 90 Kerzen auf einer Geburtstagstorte auszublasen, ist für einen Hurrikan sicher kein Problem – auch wenn dieser 90 Jahre alt ist und in Gestalt einer kleinen, drahtigen, weißhaarigen Dame daherkommt: Seit 32 Jahren regiert Hazel „Hurricane“ McCallion als dienstälteste Bürgermeisterin Kanadas die Stadt Mississauga westlich von Toronto am Ontariosee.

Gestern, Montag feierte sie ihren 90er, doch schon am Wochenende gab es eine Gala, deren Erlös einem College zugute kommt, und zu einer „Bürgerparty“ am Sonntag kamen etwa 3000 Gäste. Die meisten davon dürften, so wie es fast alle der 730.000 Einwohner Mississaugas tun, sie dabei schlicht „Hazel“ genannt haben, für die Bürger ist sie „jedermanns Großmutter“. Man trifft Hazel in Geschäften, beim Eishockey oder bei „Tim Horton's“, der Coffeeshop-Kette.

Zwölfmal wurde McCallion, die man wegen ihrer Energie „Hurricane Hazel“ nennt, als Stadtchefin gewählt, erstmals 1978, zuletzt im November: Da stimmten „nur“ 76 Prozent der Wähler für sie, früher waren es über 90 Prozent. Dennoch: „Die Menschen lieben sie, egal, was passiert. Sie genießt eine phänomenale Popularität“, sagt Gerry Timbers, Herausgeber der „Mississauga News“. „Wer gegen Hazel ist, ist in der Minderheit.“

Als Hazel Journeaux wurde sie am 14. Februar 1921 in Port Daniel in Quebec geboren. Schule und Beruf als Sekretärin führten sie nach Québec, Montréal und Toronto. Mit ihrem Mann ließ sie sich im Ort Streetsville nieder, der später mit anderen Gemeinden zu Mississauga vereint wurde.

Die Stunde der Bewährung

Ihre große Stunde kam, als Ende 1979 ein Chemikalienzug nahe der Stadt entgleiste und die Fracht explodierte. Hazel, obwohl an einem Knöchel verletzt und humpelnd, leitete die Evakuierung Mississaugas und profilierte sich als zupackende Politikerin. Die Stadt, auf deren Gebiet Torontos Flughafen liegt, wuchs unter ihrer Führung zur sechstgrößten Kanadas und wurde eine der wenigen schuldenfreien Kommunen.

Jahrzehntelang hielt sie die Zügel fest in der Hand. Gegner werfen ihr gern diktatorisches Verhalten vor. „Ich will was zu tun haben“, sagt sie auf die Frage, warum sie noch nicht in Pension ist, und lächelt schelmisch.

Als junge Frau spielte sie in Montréal in einem Frauen-Eishockeyteam. „Manchmal geh' ich in eine Hockeyarena und nehme Puck und Schläger. Alles ohne Hilfe“, sagte sie vor zwei Jahren in einer TV-Sendung und setzte sich in einem Fitnessstudio an Geräte.

Beim Eishockey mag sie ausgeteilt haben – zur Zeit muss sie viel einstecken: Hazel wollte ein Konferenzzentrum bauen. Als Bauherr fungierte just ihr Sohn Peter, doch er scheiterte mit dem Projekt, obwohl seine Mutter tatkräftig mitgemischt und es hinter den Kulissen gefördert hatte. Daher prüft nun eine Untersuchungskommission, ob die alte Dame als Bürgermeisterin in „unziemlicher Weise“ ihren Einfluss zugunsten ihres Sohnes nutzte. Der habe die Position seiner Mutter jedenfalls ausgenutzt, sagen selbst Rathaus-Juristen.

Drei Jahre gehen noch

Die Bevölkerung scheint indes weiter in nahezu blinder Loyalität zu ihr zu stehen, und getadelt wird vor allem ihr Sohn. Jetzt aber ließ sich McCallion erst einmal feiern, um noch drei Jahre zu regieren. Den 100. Geburtstag wolle sie aber nicht mehr als Bürgermeisterin feiern: Das jetzt sei ihre letzte Amtszeit, hat sie versprochen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.02.2011)

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