Karmasin: „Wir packen die Kinder zu sehr in Watte“

Sophie Karmasin
Sophie Karmasin(c) Stanislav Jenis
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Kinderkrippen seien meist eine Bereicherung, sagt Familienministerin Karmasin. Ein verpflichtendes Pensionssplitting, wie es die Bundesländer fordern, lehnt sie ab – das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare ebenso.

Die Presse: Seit 2005 gibt es die Möglichkeit, Pensionszeiten, die ein arbeitender Partner während der Karenz des anderen erwirbt, auf beide aufzuteilen. Die Familienreferenten der Länder fordern nun, dass der Bund ein verpflichtendes Pensionssplitting vorschreibt. Soll dieses kommen?

Sophie Karmasin: Ich begrüße das Pensionssplitting an sich, weil es gegen die Altersarmut hilft, die bei Frauen gehäuft vorkommt. Aber ich möchte betonen: Ich will kein verpflichtendes Pensionssplitting. Es entspricht meiner Grundhaltung, dass jeder Einzelne autonom entscheiden soll. Ich überlasse das der Hoheit der Familie.

Seit 2005 haben nur 150 Paare ein Pensionssplitting beantragt.

Mein Kritikpunkt ist, dass vieles bisher zu wenig bekannt gemacht wurde. Etwa auch, dass man während der Karenz sowieso Pensionszeiten im Ausmaß von 1650 Euro brutto monatlich angerechnet erhält, bis zum vierten Geburtstag des Kindes. Dieser Betrag liegt schon über dem Medianeinkommen von Frauen mit 1360 Euro brutto.

Ist das Pensionssplitting also gar nicht nötig?

Nein, das kann man ja noch zusätzlich machen. Aber es ist kaum bekannt, dass man das Pensionssplitting bis zum siebenten Lebensjahr des Kindes beantragen muss. Wenn man das verschläft und erst mit dem achten Geburtstag draufkommt, dass das Modell sich geeignet hätte, ist es leider vorbei.

Wie wollen Sie die Information verbessern?

Zum einen wollen wir Kontakt mit Sozialminister Hundstorfer aufnehmen, um eine breite Kampagne zu planen. Und wir werden ab Herbst in den Briefen, die jede Familie beim erstmaligen Bezug des Kinderbetreuungsgelds bekommt, eine Information zum Pensionssplitting beilegen. Zudem sind die Anträge fürs Pensionssplitting momentan nur sehr bürokratisch und per Post zu bekommen. Das ist nicht mehr zeitgemäß, das sollte man auch online ausfüllen oder zumindest selbst ausdrucken können.

Ein Thema ist das niedrigere gesetzliche Pensionsalter für Frauen. Ist das ein Vorteil oder doch ein Nachteil für Frauen, weil sie dadurch weniger Pensionszeiten erwerben können?

Das ist ein Thema, das ich hier nicht entscheiden will. Dafür spricht, dass Frauen durch die Kindererziehung oft eine Doppelbelastung haben. Auf der anderen Seite gibt es das Argument, dass die Pensionen der Frauen niedriger werden, wenn sie weniger Versicherungszeiten aufweisen. Das Thema Nummer eins ist für mich als Jugendministerin aber, das faktische Pensionsalter anzuheben. Es kann nicht sein, dass das praktische Antrittsalter immer mehr fällt, die Lebenserwartung aber steigt.

Was ist Ihr Rezept dagegen?

Ich bin keine Pensionsexpertin. Aber man muss alle Möglichkeiten ausschöpfen und das Ziel der finanziellen Unabhängigkeit von Männern und Frauen verfolgen. Das Pensionsspliting ist eine Möglichkeit dafür. Wichtig ist aber vor allem, dass wir einmal seriöse Zahlen auf den Tisch bekommen. Wir brauchen ein Pensionsmonitoring.

Sind Kinder eine Armutsfalle?

Ich warne davor, das medial so zu transportieren. Im internationalen Vergleich stehen wir bei den Direktleistungen an Familien gut da. Bei den Sachleistungen sind wir noch nicht am Ziel: Beim Angebot für die bis Dreijährigen haben wir eine Betreuungsquote von 22Prozent, es gibt Länder mit einem Angebot für über 50Prozent. Zumindest 33Prozent wären das Ziel – und das ist in den nächsten vier Jahren auch zu erreichen. Das heißt nicht, dass jede Frau, wenn das Kind ein Jahr alt ist, 40 Stunden in der Woche arbeiten soll. Aber wir müssen die Rahmenbedingungen schaffen, damit das möglich wird.

FPÖ-Chef Strache hat vor Kurzem in einem „Presse“-Interview gemeint, Kinder sollten bis zum dritten Lebensjahr zu Hause betreut werden, sonst steige die Gefahr für psychische Krankheiten.

Die Studien, die ich kenne, sagen das Gegenteil. Ich habe viele Kinderkrippen besucht und kein Kind gesehen, dass allein in der Ecke sitzt und nach der Mama weint. Jeder soll selbst entscheiden, wie das Kind betreut wird. Aber Förderung von außen ist für Kinder auch ganz gut: Man lernt etwa, in Konfliktsituationen zu bestehen. Wir tendieren ja dazu, die Kinder zu sehr in Watte zu packen. Aber eine anregende Umgebung mit Gleichaltrigen fördert die Kinder.

Sie haben zuletzt gemeint, dass auch Homosexuelle in Kinderbüchern abgebildet sein sollen. Wie soll das konkret ausschauen?

Man kann etwa im Sozialunterricht alle Facetten von Familie zeigen. Ich bin dafür, jede Form des Familiengedankens zu fördern, weil es leider immer mehr Single-Haushalte gibt. Da geht es nicht nur um homosexuelle Paare. Man muss natürlich die Verhältnisse im Auge behalten, und die „klassische Familie“ ist in Österreich ja immer noch die am stärksten verbreitete Form.

Sollen homosexuelle Paare denn auch Kinder adoptieren können?

Derzeit bin nicht dafür, weil wir zehn Mal mehr heterosexuelle Paare haben, die sich um ein Kind bewerben, als Kinder vergeben werden können. Wir müssen diese Debatte aus Sicht des Kindes führen.

Das heißt, es ist besser, wenn ein Kind Vater und Mutter hat?

Das will ich nicht behaupten. Wenn es um Pflegeeltern geht – da gibt es zu wenige – ist ein Kind auch bei einem gleichgeschlechtlichen Paar gut aufgehoben. Aber bei der Adoption ist das eine Scheindiskussion, denn das Kind findet jetzt schon seine Eltern.

Also Adoptionen durch gleichgeschlechtliche Paare erst dann, wenn zu viele Kinder ohne Eltern „auf dem Markt“ wären?

Das wird hoffentlich nicht der Fall sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.07.2014)

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