Das Dilemma mit den Daten

(c) Clemens Fabry
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Evidenzen allein sind kein Garant für Erfolg. Sie müssen richtig interpretiert werden um Erkenntnis für Maßnahmen zu gewinnen

„Die ich rief, die Geister,
Werd' ich nun nicht los.“
(J. W. Goethe, Der Zauberlehrling)

Evidence-based policy ist hierzulande ein relativ neues Steuerungsinstrument in der Bildungspolitik. In den USA hat es lange Tradition – jedoch wenig Erfolg, weil man beobachten konnte, dass die Zyklen der Politik schneller verlaufen als die Zyklen der Evaluation oder gar der Schulentwicklung. Evidenzen (Daten) – ob alte oder neue – sprechen nie für sich selbst und sind keine Garantie für den Erfolg bildungspolitischer Maßnahmen. Sie müssen richtig interpretiert und in den gesellschaftlichen Kontext eingebettet werden, um daraus in Synthese Erkenntnis für Maßnahmen zu gewinnen, die dann konsequent umgesetzt werden.

Seit 2001, dem Jahr der Veröffentlichung der ersten PISA-Studie, verfügen wir in Österreich über Leistungsdaten von Lernenden, ergänzt durch Daten aus TIMSS und anderen kleineren Studien; ab 2012 kommen jährlich die Ergebnisse der Überprüfung der Bildungsstandards hinzu. Wir werden also immer genauer wissen, wo die Stärken und Schwächen unseres Bildungssystems liegen. Werden wir dieses Wissen für die nächsten Generationen auch erfolgreich nutzen?

Die Geschichte darf sich nicht wiederholen

Die Geschichte der letzten zehn Jahre darf sich nicht wiederholen – es darf nicht passieren, dass sich die im internationalen Vergleich ohnehin nur mittelmäßigen Leistungen unserer Schülerinnen und Schüler wieder nicht verbessern, dass um den Krampustag herum Schuldige für ein schlechtes Ergebnis gesucht und medial an den Pranger gestellt werden. Um aus diesem unheilvollen Zyklus auszubrechen, müssten bisher unverbundene Reformversuche durch Gesetzespakete der Bundesregierung systematisch miteinander verzahnt und aus dem tagespolitischen Gezänk herausgehoben werden. Nur so kann sich jede Partei von der Klientelabhängigkeit befreien und nachhaltige Reformen umsetzen, die auch über eine Legislaturperiode hinaus greifen und die Qualität des Schulwesens verbessern.

Das Dilemma mit den Daten besteht darin, dass man sie nicht mehr los wird, wenn sie einmal erhoben und ausgewertet sind. Und daher sollten sich Auftraggeber von Studien vorher fragen, ob sie danach ernsthaft etwas ändern wollen und das auch können – sonst geht es ihnen wie Goethes Zauberlehrling, der die Geister, die er rief, nicht mehr los wird...

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2011)

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