Psychotherapie: Berufswunsch Seelendoktor

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Unübersichtliche Ausbildung, hohe Kosten und viele Missverständnisse prägen einen Berufszweig, der dennoch boomt.

Es ist ein so richtig schönes Klischee: Ein Patient liegt auf der Couch. Während er die Decke anvisiert, sprudelt es nur so aus ihm heraus, fördert er verborgen Geglaubtes aus dem Unterbewusstsein hervor. Daneben sitzt gütig zuhörend der Psychotherapeut, nickt ab und zu und lässt reden.

Eine romantisierte Vorstellung? Vielleicht, doch die Couch hat auch Jahrzehnte nach Sigmund Freud noch nicht ausgedient. So wie auch der Wunsch, selbst die Rolle des Therapeuten einzunehmen. Doch der Weg dorthin ist nicht einfach und vor allem auch etwas unübersichtlich.

Seit 1991 ist die Ausbildung zum Psychotherapeuten im Psychotherapiegesetz geregelt, das ein zweiteiliges Verfahren vorschreibt. Zunächst muss das sogenannte Propädeutikum absolviert werden, in dem die Grundlagen des Fachs vermittelt werden. Die Ausbildung, die 765 Stunden Theorie und 480 Stunden Praxis umfasst, wird von verschiedenen Ausbildungsträgern angeboten. Insgesamt müssen dafür – je nach Anbieter – zwischen 4000 und 8000 Euro bezahlt werden.

Dort muss man auch selbst seine Psyche durchleuchten lassen – die 50 Stunden Selbsterfahrung kosten extra. Das Propädeutikum wird von mehreren Stellen angeboten – der Österreichische Bundesverband für Psychotherapie (ÖBVP) führt 16 Einrichtungen an, von Uni-Lehrgängen bis zur Erzdiözese Wien.

Richtig unübersichtlich wird es beim zweiten Teil der Ausbildung. 36 Institutionen bieten das Fachspezifikum an. Hier muss man entscheiden, ob man sich etwa lieber in die Psychoanalyse nach Freud, Individualpsychologie nach Adler oder Existenzanalyse nach Frankl vertieft. Insgesamt gibt es 22 anerkannte Fachrichtungen, deren Vertreter zum Teil untereinander in Konkurrenz stehen. 500 Stunden Theorie und 1300 Stunden Praxis fallen an – und Kosten zwischen 25.000 und 50.000 Euro.

Hat man diesen Weg, der durchwegs berufsbegleitend angeboten wird, absolviert, ist man berechtigt, sich auf der Liste der Psychotherapeuten im Gesundheitsministerium eintragen zu lassen. Einen akademischen Grad gibt es dafür allerdings nicht.

Wer auf Bakk., Mag. oder Dr. auf seiner Visitenkarte besteht, hat seit 2005 eine Möglichkeit. Die Sigmund Freud Privatuniversität (SFU) bietet das Studium „Psychotherapiewissenschaft“ an. Rund 350 Studenten lernen hier die Grundlagen der Psychotherapie auf wissenschaftlicher Ebene. Zusätzlich kann man sich in der an die Uni angeschlossenen Ambulanz auch praktische Erfahrungen im Umgang mit Patienten holen. Pro Semester werden 4750 Euro (Bakkalaureat) bzw. 5250 (Magisterstudium) fällig.

Akademische Ausbildung

SFU-Rektor Alfred Pritz sieht einen Vorteil seiner Uni darin, dass alle psychoanalytischen Methoden unterrichtet werden, während andere Institute oft in einem Glaubenskrieg um die einzige wahre Methode hängen blieben. Dementsprechend war das Verhältnis zu den ausbildenden Vereinen anfangs stark unterkühlt. „Doch mittlerweile gibt es Kooperationsabkommen“, sagt Pritz.

Der Abschluss an der SFU berechtigt allerdings nicht dazu, als Psychotherapeut arbeiten zu dürfen. Hat man den Studiengang absolviert, muss man „sich bei einem der anerkannten Vereine für die Ausbildung bewerben“, sagt Eva Mückstein, Präsidentin des ÖBVP, „und sich die Lehrinhalte anrechnen lassen.“ Wie viel angerechnet wird, müsse mit den ausbildenden Vereinen geklärt werden, es gibt noch keine Erfahrungswerte. Erst mit diesem Abschluss ist eine Eintragung in die Berufsliste möglich.

Doch das soll sich ändern, die SFU will bald selbst diesen Status erreichen. Mittlerweile wurde der Antrag genehmigt, das Propädeutikum abhalten zu dürfen – es fehlt nur noch der Bescheid aus dem Ministerium. Bald soll auch ein Antrag für fachspezifische Ausbildung folgen.

Rektor Pritz rechnet jedenfalls damit, dass die Freud Privatuni bald ganz regulär Psychotherapeuten ausbilden kann. Und auch beim ÖBVP hält man das für möglich. „Es ist sicher nicht ausgeschlossen, wenn es mit dem Psychotherapiegesetz in Einklang ist“, sagt Präsidentin Mückstein. Bedarf gibt es jedenfalls. Rund 2000 Kandidaten sind derzeit in Österreich in Ausbildung. Und der Bedarf an neuen Psychotherapeuten, meint sie, reißt noch lange nicht ab – auch Jahrzehnte nach Freud.

EINE UNI FÜR FREUD

Privatuni: Die Sigmund Freud Privatuniversität (SFU) wurde 2005 vom Akkreditierungsrat zugelassen. Angeboten wird das Studium Psychotherapiewissenschaften und seit kurzem auch Psychologie.
Kontakt: Schnirchgasse 9a, 1030 Wien, ?798 40 98 [Teresa Zötl]

http://sfu.ac.at("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2007)


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