Weiß die Mutter, was sie tut? Frauen wollen mehr Respekt

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ARCHIVBILD/THEMENBILD: MUTTERTAGAPA/ROBERT JAEGER
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In ihrem Buch fordern Denise Wilk und Alina Bronsky mehr Wertschätzung und Selbstbestimmung für Mütter. Und scheitern selbst daran.

Beispiele gibt es genug. Wenn die 20-Jährige schief angeschaut wird, weil sie so jung bereits (geplant) ein Kind bekommt. Wenn die 40-Jährige nach dem vierten Kind den fünften Sprössling erwartet. Wenn die Mutter lieber arbeiten geht, statt zu Hause zu bleiben, wenn sie lieber zu Hause bleibt, statt zu arbeiten. Wenn sie eine natürliche Geburt nach einem Kaiserschnitt einfordert, wenn sie ihr Kind gleich nach der Geburt ins Babyschwimmen steckt oder ihr Kind (zu) öffentlich stillt.

Nichts bleibt, wenn es um Kinder geht, unkommentiert. Es gibt viele Themen, die in allen (schillernden) Facetten abgehandelt werden: Kinderplanung, Schwangerschaft, Erziehung. Das hat Folgen. In ihrem Buch „Die Abschaffung der Mutter“ machen Denise Wilk und Alina Bronsky (die Schriftstellerin stand mit ihrem Roman „Baba Dunjas letzte Liebe“ auf der Longlist des Deutschen Buchpreises) ihrem Ärger Luft, dass Mütter zunehmend als „entbehrlich und ersetzbar“ hingestellt werden. „Mütter kleiner Kinder sind in Deutschland trotz ihrer großen Zahl eine Randgruppe geworden, die dann am freundlichsten behandelt wird, wenn sie nicht weiter auffällt“, monieren sie im Vorwort.

Erfahrung haben sie genug: Zusammengezählt haben die beiden Autorinnen zehn Kinder (Wilk sechs und Bronsky vier). Stiefkinder – wie sie ausdrücklich betonen – noch nicht mitgezählt. In zehn Kapiteln – vom Kinderwunsch, über „das Märchen von der unterstützten Geburt“ über das „hysterische Verhältnis zum Stillen“ bis zur „Lüge von der Vereinbarkeit“ – greifen sie Punkte auf, wann Mütter kritisiert, wie sie unter Druck gesetzt werden – und wie ihnen schon längst durch eine Schar von „Experten“ die Kompetenz abgesprochen wird, selbst zu wissen, was gut für ihr Kind ist. Wenn Schwangere sich etwa weigern, Pränataluntersuchungen durchzuführen, und lieber zu Hause mit einer Hebamme entbinden, wenn sie sich weigern, Workshops, Kurse und Seminare zu jedem Entwicklungsschritt zu absolvieren. Selbst wenn das Wissen zum jeweils aktuellen Trend (Kind im Tragetuch tragen, Kindern feste Nahrung statt Brei geben) Hunderte Jahre alt ist. „Kein Wunder, dass bei manchen Frauen die Nerven blank liegen“, analysieren sie. Das Ganze belegen sie mit Studien und Beispielen, die sie aus Gesprächen mit Müttern haben.

Einseitig argumentiert. Und das ist ein Problem. Auch wenn ihre These gut gemeint ist und sich viele Mütter darin wohl wiederfinden, ist ihre Argumentation streckenweise undifferenziert, in jedem Fall sehr einseitig. Kinderlosen den Wunsch vorzuwerfen, ein Kind via künstlicher Befruchtung zu wollen (vor allem, wenn man selbst schon mehrere hat), zeugt von Empathielosigkeit. Vor allem, wenn man selbst schreibt, dass die Folgen von künstlicher Befruchtung noch längst nicht alle erforscht sind.

Väter und Mütter zu kritisieren, die ein Kind per Kaiserschnitt bekommen haben und sich deswegen nicht stigmatisieren lassen wollen, ist einfach seltsam. Zwar richtet sich die generelle Kritik gegen den Trend, dass in Deutschland zu viele (und damit unnötige) Kaiserschnitte gemacht werden, aber die Botschaft, dass Kaiserschnitte traumatisierend sind, kommt an. Ebenso, dass Mütter, die sich eine PDA geben lassen, das Kind um Endorphine bei der Geburt bringt.

Mütter, die Stillen für eine Privatangelegenheit halten, werden ebenso angegriffen wie Menschen, die ein Kind via Leihmutter wollen. Auch an einer Vereinbarkeit von Job und Kindern wird gekratzt (Vorbild Frankreich ist doch nicht so toll). Immerhin: Bessere Kinderbetreuungsstätten werden von beiden gefordert. „Doch jenseits der strukturellen Veränderungen wünschen sich viele Frauen mit Kindern vor allem eines: das Ende der ständigen Bevormundung, des Reinredens, Bewertens und Verunsicherns“, schreiben die Autorinnen am Schluss. Gut so. Am besten fängt jeder bei sich selbst an.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.05.2016)

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