Als der Kaiser erstmals im Wohnzimmer sprach

AUSSTELLUNG ´DER EWIGE KAISER - FRANZ JOSEPH I. 1830 - 1916´ IN WIEN
AUSSTELLUNG ´DER EWIGE KAISER - FRANZ JOSEPH I. 1830 - 1916´ IN WIEN(c) APA/HELMUT FOHRINGER
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Während des Ersten Weltkriegs konnte man Franz Joseph zu einer Wortspende überreden.

In der österreichischen Mediathek ist eine bemerkenswerte Stimme zu hören: Kaiser Franz Joseph – digital und für alle Zeiten konserviert. Schon im ersten Kriegsjahr 1914 rief der frühere k.u.k. Kriegsminister Franz Xaver von Schönaich den „k.u.k. österr. Militär-Witwen- und Waisenfonds zugunsten Kriegshinterbliebener“ ins Leben.

Neben Spendenaufrufen und Sammlungen bediente er sich auch der neuesten Medien und brachte eine Serie von acht Schellackplatten heraus – 30 cm, 78 U/min. Generäle und auch das Kaiserhaus selbst sollten aufmunternde Wortspenden geben. Diese in Berlin produzierten Patten weisen eine für diese Zeit brillante Tonqualität auf und wurden in exquisiter Form unters Volk gebracht.

Kaiser, Thronfolger und prominente Heerführer, allen voran natürlich Generalstabschef Franz Conrad Freiherr von Hötzendorf, sprechen über die Situation der Monarchie und der Armee. Die Plattenhüllen in Jugendstil waren ein absolutes Novum. Die Tonträger wurden damals meist nur in Papierhüllen verkauft, die nicht bedruckt waren. Auch wenn es nur ein belangloser Satz ist – zum ersten Mal war 1916 für die Millionen Untertanen die Stimme des Kaisers zugänglich, die ihren Herrscher ja nur aus Fotos und Zeichnungen kannten. Auf dem Cover hieß es: „Vorliegende Platte ist das einzige Stimmporträt Seiner k.u.k. Apostolischen Majestät, welches der Öffentlichkeit übergeben wurde.“

Die interessanteste Aufnahme ist jene mit Franz Conrad von Hötzendorf. Sie zeigt einen erstaunlichen Pessimismus. Hötzendorf spricht ausdrücklich von einem „katastrophalen Krieg“, hofft, dass dieser wenigstens zum Zusammenhalt aller Nationalitäten des Reiches beitragen werde, und schließt mit der Formulierung, dass der Erfolg zu „erhoffen“ sei. Bei der Bearbeitung der Aufnahme mit General Franz Rohr machte man vor wenigen Jahren eine seltsame Entdeckung. Der General schließt mit den Worten, dass man auch im Südwesten zum Siege schreiten werde. Unmittelbar darauf folgt – ganz leise und fast unverständlich – wahrscheinlich von einer dritten Person gesprochen, der Zusatz „oder Niederlage“. (hws)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.05.2016)

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