Gelten Ladendiebe als cool?

Gelten Ladendiebe cool
Gelten Ladendiebe cool(c) Erwin Wodicka - BilderBox.com (Erwin Wodicka - BilderBox.com)
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Ladendiebstahl ist das häufigste Delikt im Kinder- und Jugendalter. Gemeinsam mit Schülern wird in Oberösterreich an Gegenmaßnahmen geforscht.

Egal, ob eine Polizeistation in der Nähe eines Geschäfts ist oder nicht: Die Häufigkeit der Ladendiebstähle bleibt gleich. Hingegen wirkt sich eine Schule in direkter Nähe von Geschäften auf die Diebstahlsraten aus: Wo viele Jugendliche sind, steigt die Zahl rasant an. „Ladendiebstahl ist eines der häufigsten Delikte überhaupt“, erklärt Helmut Hirtenlehner von der Uni Linz und FH Oberösterreich: „Bei dem Delikt sind Kinder und Jugendliche überdurchschnittlich oft als Täter vertreten.“ Doch es gibt kaum wissenschaftliche Studien, warum das so ist. Vielleicht wird wenig geforscht, weil der Schaden der einzelnen Delikte gering ist?

Erstmals sollen nun die jungen Menschen selbst in derartige Forschungen eingebunden werden: Das Nachwuchsförderprogramm des Wissenschaftsministerium, „Sparkling Science“, macht es möglich: Hirtenlehner und sein Kollege Friedrich Starkl von der FH in Steyr kooperieren (in Zusammenarbeit mit dem Verein Neustart und dem Kriminalpolizeilichen Beratungsdienst) mit drei Schulen (in Perg, Traun und Linz), um herauszufinden, wie häufig Ladendiebstahl unter Jugendlichen wirklich ist, welche Ursachen und Motive dahinterstecken und wie Geschäfte und auch Schulen aktiv in die Prävention eingreifen können. „Das Dunkelfeld ist bei Ladendiebstahl enorm groß“, sagt Hirtenlehner. Denn wer erwischt wird, bekommt meist nur eine „Bearbeitungsgebühr“ (pauschalierter Schadensersatz) und Hausverbot. „Die Anzeigewahrscheinlichkeit ist sehr gering, vor allem, wenn sich der Betroffene reumütig zeigt.“ Auffallend sei, dass besonders junge Täter – und ganz alte – am ehesten ohne Anzeige davonkommen. Das Vorurteil, dass besonders Frauen Ladendiebstahl begehen, bestätigt sich nicht. „Es dominieren die Männer, aber es ist eines der Delikte mit dem geringsten Geschlechterunterschied.“

Die große Gruppe der jugendlichen Täter möchten die Kriminologen nun mit den Schülerforschern auf Augenhöhe untersuchen: „Das Delikt ist so häufig, dass in jeder Schulklasse sicher ein paar drinsitzen, die es schon begangen haben.“


Schüler laut denken lassen.
Eine große Schülerbefragung soll 2000 oberösterreichische Jugendliche erreichen: Welche Präventionsmaßnahmen werden von dieser Altersgruppe wahrgenommen? Was wirkt abschreckend bzw. was macht eine gute Gelegenheit aus? Und welche Konzepte können unter Einbindung der Lehrer helfen, Ladendiebstahl unattraktiver zu machen?

„Auch die Methode des ,lauten Denkens‘ wird zum Einsatz kommen“, sagt Hirtenlehner. Dazu werden die Schüler mit Tonband in Geschäfte geschickt und sollen die Situation aus der Sicht eines potenziellen Diebes beschreiben. So kann man das Geschäft mit den Augen der Jugendlichen sehen. Zudem werden Kunden beim Ausgang der Geschäfte befragt, ob sie Schutzmaßnahmen gegen Ladendiebstahl bemerkt hätten und wie sie diese bewerten.

„Die Geschäfte wissen genau, was man tun müsste, um die Diebstahlsrate zu senken. Aber die gleichen Maßnahmen reduzieren auch den Absatz“, sagt Hirtenlehner. Alles, was den Verkauf fördert, erhöht auch die Gelegenheit. „Denn Diebe und Kunden sind nicht zwei getrennte Personengruppen.“

20 Prozent der des Ladendiebstahls verdächtigten Personen sind zwischen 14 und 18 Jahre alt.

8 Prozent sind Kinder unter 14 Jahre.

Über ein Prozent des Umsatzes geht dem Handel durch Diebstahl verloren.

Über 250 Mio. Euro Warenwert werden von Kunden gestohlen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2010)

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