In Wien soll bei der Schuleinschreibung verstärkt auf die Deutschkenntnisse der Kinder geachtet werden. Reichen diese nicht aus, sollen die Schüler nicht in die erste Klasse, sondern noch ein Jahr in die Vorschule gehen.
Wien/Apa/Beba. Wien setzt auf mehr Vorschulklassen – und zwar verstärkt auch für jene Kinder, die bei Schuleintritt noch nicht ausreichend Deutsch können. Diese Ankündigung von Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl (SPÖ) sorgt bei Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) für Freude: „Die Stadt Wien überholt das Unterrichtsministerium“, heißt es aus seinem Büro. Dass die Kinder mit mangelnden Deutschkenntnissen in der Vorschule gefördert werden, statt in die erste Klasse Volksschule einzusteigen, ist eine der Forderungen, mit denen Kurz bei Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) bislang abgeblitzt ist. Die Ministerin lehnte solche Maßnahmen als „Ghettoklassen“ ab.
Konkret soll bei der Schuleinschreibung in Wien, die von 14. bis 25.Jänner stattfindet, verstärkt auf die Sprachkenntnisse der Schulanfänger geachtet werden. Dabei sollen nur Schüler mit ausreichenden Deutschkenntnissen mit der ersten Klasse Volksschule beginnen dürfen und Kinder mit Sprachproblemen in Vorschulklassen speziell gefördert werden. „Wer nicht versteht, was gesagt wird oder geschrieben steht, hat in der Schule keine Chance“, begründet Stadtschulratspräsidentin Brandsteidl diese Maßnahme. Mit den Forderungen von Kurz habe diese allerdings wenig zu tun – vielmehr sei die Realität an den Schulen diesen teilweise offenbar bereits voraus.
Denn völlig neu ist das Modell nicht. In Wien gibt es bei der Schuleinschreibung seit dem Jahr 2008 das sogenannte „1+1 Fördermodell“. Ein Jahr vor dem Volksschuleintrittstermin werden die Kinder in die Schule eingeladen. Wird bei ihnen ein Förderbedarf (nicht nur sprachlicher Art) festgestellt, können sie während des verpflichtenden Kindergartenjahrs verstärkt gefördert werden. Wer dann bei der Schuleinschreibung immer noch nicht schulreif ist, soll noch ein zweites Jahr in der Vorschule gefördert werden. „Besser ein zusätzliches Förderjahr am Anfang als eine langfristig negative Schullaufbahn“, so Brandsteidl.
Kein Kriterium für Schulreife
Neu ist aber, dass ab heuer noch stärker auf die Deutschkenntnisse der Schüler geachtet werden soll – auch wenn die Beherrschung der Unterrichtssprache allein eigentlich kein Kriterium für die Schulreife sein darf. Rechtlich könnte diese Maßnahme also durchaus heikel sein. Denn laut Schulpflichtgesetz sind die relevanten Punkte für die Schulreife die motorisch-körperliche, geistig-kognitive und sozial-emotionale Reife. Die sprachlichen Fähigkeiten gehören hier grundsätzlich dazu, argumentiert der Stadtschulrat. Wie gut ein Kind sich ausdrückt oder ob es Erzählungen inhaltlich wiedergeben kann, wird bei der Schuleinschreibung bereits jetzt berücksichtigt. Kurz hatte zuletzt wiederholt gefordert, dass auch die Kenntnisse des Deutschen für die Bestimmung der Schulreife herangezogen werden.
Demnächst wird sich in puncto Sprachförderung ohnehin etwas tun: Bis März will das Unterrichtsministerium – nach entsprechendem Beschluss im Ministerrat im Dezember – neue Modelle dafür entwickeln. Ab Herbst sollen diese in Pilotprojekten getestet werden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.01.2013)