„Lehrergewerkschaft achtet zu sehr auf Standesdünkel“

Tobias Dörler
Tobias Dörler(C) FESt/ Facebook
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Tobias Dörler, der Vertreter der Lehramtstudenten in der ÖH, über Versäumnisse der Regierung beim Dienstrecht, die zu große Macht der AHS-Gewerkschaft und den Lehrerberuf als familienfreundlichen Job.

Die Presse: Die Gewerkschaft hat es nicht eilig, sich auf ein neues Dienstrecht zu einigen. Die Leidtragenden
sind die jungen Lehrer, die weiterhin niedrige Einstiegsgehälter erhalten.

Tobias Dörler: Auf Dauer gesehen sind wir tatsächlich die Leidtragenden. Dennoch wäre es nicht sinnvoll, das Dienstrecht noch auf die Schnelle vor der Wahl zu beschließen. Danach muss es aber schnell gehen. Es sollte schon im Koalitionspapier einen Fahrplan geben.

Die ÖVP hat vorgeschlagen, eine Art Übergangsdienstrecht zu beschließen. Und ab 2019 – wenn die neue Lehrerbildung wirksam wird – ein neues Dienstrecht zu schaffen. Eine gute Idee?

Dieser ÖVP-Vorschlag zeigt eines: Und zwar, dass in den aktuellen Verhandlungen gar nicht darüber nachgedacht wurde, was mit den Lehrern passieren soll, die die neue Lehrerausbildung absolvieren. Sie werden einen Masterabschluss haben und sollten auch dementsprechend bezahlt werden.

Die Regierung war also zu kurzsichtig?

Ja. Es wurde stets behauptet, dass man beim Dienstrecht nicht Rücksicht auf die neue Ausbildung nehmen kann, da man nicht wisse, wie diese aussehen wird. Das stimmt so aber nicht. Das Grundlegende war schon seit zwei Jahren klar. Man wusste, dass es eine masterwertige Ausbildung geben wird.

Das Dienstrecht wird von Personen verhandelt, die nie davon betroffen sein werden. Wurden die Lehrer in Ausbildung um ihre Meinung gefragt?

Da liegt das Problem. Es gab Gespräche mit der Gewerkschaft. Was es gebracht hat, weiß ich aber nicht.

Wie attraktiv ist das Angebot der Regierung für die Junglehrer wirklich?

Es ist gut, dass die Junglehrer mehr verdienen sollen. Schlecht ist, dass der Verdienst über die Lebensarbeitszeit sinkt. Insgesamt finde ich, dass die Bezahlung von Lehrern im Vergleich zu anderen Berufsgruppen zu gering ist. Höhere Einkommen hätten positive Effekte. Sie könnten sowohl die Attraktivität des Berufs als auch die Anerkennung der Lehrer steigern.

Zur Anwesenheitszeit: Denkt die junge Generation hier anders? Glauben Sie, dass eine 38,5-Stunden-Woche in Zukunft möglich sein wird?

Das System kann mit einer neuen Generation sicher einmal umgestellt werden – vorausgesetzt die Arbeitsbedingungen werden besser. Ein Nachteil: Wenn Lehrer länger in der Schule sein müssen, dann wird es schwieriger, den Beruf mit der Familienbetreuung zu vereinbaren.

Haben sich Lehrer den Job bislang womöglich deshalb ausgesucht, um mehr Zeit für die Familie zu haben?

Das spielte sicher für viele eine Rolle. Aber: Im Sinne der Ganztagsschule wäre es gut, wenn Lehrer länger anwesend sein müssen.

Blockiert die Gewerkschaft zu sehr?

Es ist schön, dass die Lehrergewerkschaft stärker ist als andere Gewerkschaften. Leider achtet sie zu sehr auf Standesdünkel. Vor allem die AHS-Gewerkschaft hat – im Verhältnis dazu, wie viele Leute sie vertritt – zu viel Macht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.06.2013)

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