Österreichisches Deutsch: Lehrer sind unsicher

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Gut die Hälfte der für eine Studie befragten Lehrer hält das bundesdeutsche Deutsch für richtiger. Oft wird die österreichische Form mit dialektalen bis ordinären Ausdrücken gleichgesetzt.

Wien. Erdäpfel statt Kartoffeln, das E-Mail statt die E-Mail, ich bin gegangen statt ich ging: Eigentlich ist das österreichische Deutsch samt seinen speziellen Ausdrücken und grammatikalischen Eigenheiten bereits seit mehreren Jahrzehnten als korrekte Form anerkannt. Dennoch existiert nach wie vor oft die Vorstellung, jene Form, die in Deutschland verwendet wird, sei die eigentlich richtige. Auch Lehrerinnen und Lehrer sind sich da häufig nicht so sicher, wie erste Ergebnisse einer Studie der Uni Wien zeigen, die der „Presse“ vorliegen.

Zwar geben zunächst 80Prozent der Befragten an, das österreichische Deutsch für genauso richtig zu halten wie das deutsche. In einer späteren Frage zeigen sich allerdings Widersprüche: Demnach ist mehr als die Hälfte der befragten Lehrer – mehr oder weniger stark – der Meinung, dass die deutsche Form korrekter sei als die österreichische. Nur 44Prozent halten das bundesdeutsche Deutsch nicht für überlegen.

„Das würde die Hypothese bestätigen, die wir aus der Literatur übernommen haben“, sagt Sprachwissenschaftler Rudolf de Cillia zur „Presse“: Dass die Sprachloyalität hierzulande geringer ist als in Deutschland. Sprich: Dass die Österreicher – ähnlich wie übrigens die Schweizer – dazu tendieren, die eigene Varietät nicht für voll zu nehmen. Und dass das mitunter daran liegen könnte, welche Rolle dem österreichischen Deutsch in der Schule zugeschrieben wird: Immerhin sind es zu einem guten Teil die (Deutsch-)Lehrer, die den Schülern vermitteln, was richtig(er) ist und was falsch. „Wenn gut die Hälfte der Lehrer das deutsche Deutsch für korrekter hält, kann man davon ausgehen, dass sich das womöglich auch in den Korrekturen niederschlägt“, sagt de Cillia.

Vermischung mit Dialekt

Da scheint es verwunderlich, dass in der Befragung fast zwei Drittel der rund 160 befragten Lehrer dennoch angeben, das österreichische Deutsch für ein wichtiges Thema im Unterricht zu halten. „Inwieweit sie das wirklich behandeln, sehen wir erst, wenn wir in die Klassen gehen“, sagt de Cillia. Das steht noch an. „Was wir bereits jetzt wissen ist, dass die Lehrbücher es nicht explizit thematisieren.“

In den seltenen Fällen, in denen es in Schulbüchern um das österreichische Deutsch geht, hat das eher Spaßcharakter. Unter dem Titel „Versuche, einem/einer Deutschen das österreichische Deutsch beizubringen“ werden da etwa Begriffe verwendet, die eher umgangssprachlich sind als österreichische Standardsprache: Gstätten, Gschlader oder Jaukerl, Gschrapp, Gschaftlhuber oder Bosnigl.

Dass österreichisches Deutsch häufig undifferenziert mit Dialekt gleichgesetzt wird, bis hin zum Ordinären, beobachtet de Cillia auch außerhalb der Schule. Im „Wörterbuch Österreichisch-Deutsch“ beispielsweise, einem Büchlein, das unter Mitarbeit von H.C. Artmann erstellt wurde – und das bei der Eröffnung des neuen Wiener Flughafenterminals vor gut zwei Jahren für Aufregung sorgte. Die Ankommenden sollten mit Austriazismen daraus begrüßt werden – darunter etwa „Futlapperl“ oder „wischerln“. Was die gesammelten Ausdrücke betrifft, heißt es im Vorwort von besagtem Büchlein denn auch: „Hier zeichnen sich drei entscheidende Themenkreise ab, die den Österreicher scheinbar mehr bewegen als alles andere: die unterschiedlichsten Grade der Alkoholisierung, die diversen Formen geistiger Demenz und die vielfältigen Aspekte weiblicher Widerwärtigkeit.“ Dazu de Cillia: „Das zeigt ja auch, dass man die eigene Varietät nicht ernst nimmt.“

Wie sprechen die Schüler?

Um das Ernstnehmen des Österreichischen geht es de Cillia und seinen Kolleginnen auch – jenseits irgendwelcher patriotischer Beweggründe. „Es geht darum, dass die Gleichwertigkeit verschiedener Varietäten anerkannt wird, dass die eigene Varietät wertgeschätzt wird und dass in den Schulen ein Bewusstsein dafür geschaffen wird“, so der Sprachwissenschaftler.

Wie sehr das österreichische Deutsch unter den heimischen Jugendlichen überhaupt noch gesprochen wird – oder ob sich dort oder da schon die bundesdeutsche Form durchgesetzt hat, soll die Studie übrigens auch zeigen: Rund 1200 Schüler wurden befragt zu Schweinsbraten versus Schweinebraten, das SMS versus die SMS und Bub versus Junge. Ergebnisse soll es im Herbst geben.

AUF EINEN BLICK

Schule. Mittels Verordnung ist festgelegt, dass die richtige Schreibung durch das jeweils aktuelle „Österreichische Wörterbuch“ geregelt wird: Was dort steht, gilt. In dem Wörterbuch, das inzwischen in der 42. Auflage vorliegt (ÖBV, 2013), sind auch bundesdeutsche Begriffe angeführt (mit Zusatz) – falsch sind diese also auch nicht. Es finden sich auch Beiträge zu Sprache und Grammatik.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2014)

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