Datenleck: „PISA-Absage ist keinesfalls nötig“

Heinisch-Hosek, PISA, Datenleck
Heinisch-Hosek, PISA, Datenleck(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Scharfe Kritik am Aussetzen aller Tests durch Ministerin Heinisch-Hosek (SPÖ). Forscher meinen, dass das Argument des Datenschutzes bei PISA gar nicht schlagend wird.

Wien. „Peinlich, lächerlich, eine Blamage“: Die Reaktionen auf die Entscheidung von Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ), vorläufig alle Bildungstests inklusive PISA abzublasen, sind nicht gerade positiv, von einigen Ausnahmen einmal abgesehen: Lehrervertreter Paul Kimberger und Kanzler Werner Faymann etwa. Der sonstige Tenor: Nach dem Datenleck beim Bundesinstitut für Bildungsforschung (BIFIE) gleich alle Tests zu stanzen, sei zumindest übereilt.

Der wissenschaftliche Beirat des BIFIE  – das durch die Affäre in Misskredit geraten ist – ist überhaupt der Ansicht, dass das Argument des Datenschutzes beim PISA-Test gar nicht schlagend wird: „Eine Absage von PISA wäre auf keinen Fall nötig gewesen, weil die Daten anonym erhoben werden“, sagt der Linzer Forscher Johann Bacher. Weder der Name des Schülers noch der Schule und meist nicht einmal das Bundesland würden gespeichert. Es gebe auch keine Listen, anhand derer man die Ergebnisse zuordnen könne, weil diese ja nicht – im Gegensatz zu den Bildungsstandards – je nach Schüler und Lehrer rückgemeldet werden. Auch bei den Standards „hätten andere Optionen bestanden“. In einer Stellungnahme des Beirats heißt weiter: „Wir möchten darauf hinweisen, dass wir nicht in die Entscheidungsfindung einbezogen wurden.“

„Datensicherheit als Vorwand“

Auch, wie viel Geld durch die Absage der Tests versickert, dürfte im Vorfeld nicht geklärt worden sein. Gestern Nachmittag war man im Ministerium noch dabei, dem nachzugehen. Womöglich könnten ja auch bereits gedruckte Testbögen wiederverwendet werden. Das BIFIE geht von knapp 1,3 Millionen Euro aus, die an Druck- und Vorbereitungskosten angefallen seien. Klar ist dagegen, dass man einiges nicht erfahren wird: Ob der zuletzt leicht positive Trend beim PISA-Test anhält, oder wie sich das naturwissenschaftliche Interesse der Schüler entwickelt hat etwa. Und bei den Bildungsstandards bleibt der erste Testzyklus (Mathematik, Englisch, Deutsch) vorerst unvollendet. Das geplante Resümee im kommenden nationalen Bildungsbericht wird daher fehlen.

Überraschend ist, dass nach der Absage auch von jenen Kritik kommt, die üblicherweise über Tests klagen: dass die Bildungsstandards nicht abgeprüft würden, obwohl sie klassisch mit Papier und Bleistift absolviert werden (und die Bögen schon gedruckt sind), kann sogar der oberste AHS-Gewerkschafter Eckehard Quin nicht nachvollziehen. „Man sollte sie durchführen und mit der digitalen Auswertung warten, bis die Datensicherheit gewährleistet ist.“ Zum Aussetzen des PISA-Tests meint Quin: „Ich bin dafür, breit zu diskutieren, ob man all diese Tests überhaupt braucht. Aber eine Absage aufgrund des Datenlecks halte ich für unüberlegt.“ Auch die Eltern zeigen sich „befremdet“. „Wir kritisieren zwar sklavische Testgläubigkeit, internationale Vergleiche an sich sind aber positiv“, sagt Theodor Saverschel, der die Eltern an den mittleren und höheren Schulen vertritt. Was die Bildungsstandards betrifft, sehen die Eltern „die unzulängliche Datensicherheit als reinen Vorwand an“.

Die Eltern sind längst nicht die einzigen, die diesen Vorwurf formulieren. Wirtschaftskammerchef Christoph Leitl (ÖVP) beispielsweise spricht nicht nur von einer „Blamage“, sondern auch von „Kalkül, die Kontrolle von Bildungsstandards abzuwürgen, da die PISA-Ergebnisse für Österreich vornehm ausgedrückt nicht sonderlich erfreulich waren“. Ob geplant oder nicht: Tatsächlich könnte es Heinisch-Hosek zum Vorteil gereichen, dass sie sich bis zum Ende der Legislaturperiode nicht mehr mit womöglich eher ungünstigen PISA-Ergebnissen herumschlagen muss.

Die Chefs des umstrittenen BIFIE-Instituts, dem laut der Ministerin zumindest eine „Redimensionierung“ bevorsteht, haben inzwischen einen hoffnungsfrohen Wunsch an sie herangetragen. „Ihnen wünschen wir viel Kraft und Erfolg in dieser äußerst schwierigen Situation“, heißt es in einem Schreiben an die Ministerin. „Wir sind überzeugt, das BMBF (Bildungsministerium, Anm.) und das BIFIE können diese kritischen Wochen gemeinsam erfolgreich meistern.“ (beba/APA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.03.2014)

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