Schulversuch: Französisch, Latein in Gesamtschulen

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Seit Dienstag steht fest, wie die Neue Mittelschule ablaufen wird: Mehr Lehrer, mehr Betreuung, eigenes Kurssystem.

WIEN. Nach der grundlegenden Einigung zwischen Wissenschaftsminister Johannes Hahn und Bürgermeister Michael Häupl vor wenigen Tagen, steht nun fest, wie der Schulversuch zur Gesamtschule aussieht, wer daran teilnehmen darf und wie der Schulversuch ablaufen wird:
•Der Name der Schule. Früher als Gesamtschule bezeichnet, wurde der Name in „Neue Mittelschule Wien“ abgeändert, weil die ÖVP ein ideologisches Problem mit dem Begriff „Gesamtschule“ hatte. Sie startet im Schuljahr 2009/2010; es unterrichten AHS-Lehrer ebenso wie Hauptschullehrer.
•Was wird geboten?
Die Neue Mittelschule ist eine Gesamtschule mit innerer Differenzierung und könnte langfristig die Hauptschule und AHS ersetzen (falls sich die SPÖ/ÖVP-Bundesregierung jemals dazu einigt). Mit einem Kurs-System soll individuell auf die Schüler eingegangen werden. Hochbegabte werden in eigenen Kursen ebenso gefördert wie lernschwache Kinder, womit die Kosten für die private Nachhilfe sinken könnten. Grundsätzlich sitzen aber alle in einer Klasse, inhaltlich gilt der AHS-Lehrplan: es wird beispielsweise auch Latein und Französisch von native speaker unterrichtet. Und: Es wird mehr Pädagogen als an einer AHS geben, kündigte Brandsteidl an – wegen der aufwendigeren Betreuung im Kurssystem. Die Neue Mittelschule wird als Ganztagsschule geplant, die Eltern auch am Nachmittag (inklusive Betreuung) in Anspruch nehmen können, aber nicht müssen. Die höheren Kosten werden teilweise vom Bund, teilweise von der Stadt bestritten.
•Welche Schulen sich beteiligen. Maximal 20 Schulen (10 AHS und 10 Hauptschulen) können an dem Schulversuch teilnehmen. „Wenn es jeweils fünf sind, ist das auch noch in Ordnung“, meinte SP-Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl am Dienstag. Die Standorte selbst stehen noch nicht fest, da die Wiener Schulen noch einige Monate Zeit haben, sich für den Schulversuch zu bewerben. Bis zum Tag der offenen Tür im November soll das geklärt sein.

Die Voraussetzung, damit eine Schule teilnehmen kann: Eltern und Lehrer müssen dem Versuch zustimmen. Falls keine AHS mitmacht, ist der Schulversuch aber gestorben, meint Brandsteidl: „Trotzdem bin ich sehr zuversichtlich, dass genauso viele AHS mitmachen wie Hauptschulen. Es gibt entsprechende Anfragen und Signale.“ Denn: Die Gesamtschule gebe es de facto bereits, meinte Brandsteidl. Beispielsweise in Hietzing, wo fast alle Kinder die AHS besuchen. Dort gebe es aber keine individuelle Förderung wie in einer Neuen Mittelschule, so Brandsteidl:„Deshalb werden AHS auch mitmachen. Wahrscheinlich auch private Schulen.“
•Wer wird aufgenommen?
Jeder Volksschüler – es gibt keinen Aufnahmetest. „Es existiert die Möglichkeit, dass ganze Volksschulklassen geschlossen in die Neue Mittelschule übertreten“, erklärte der stellvertretende Stadtschulratspräsident Walter Strobl (VP).
•Wie sieht das Zeugnis aus? Jährlich wird der Lernfortschritt durch externe Prüfer getestet. In der letzten Schulstufe wird im Zeugnis festgehalten, für welchen Schultyp (HTL, HAK, Lehre etc.) sich der Schüler am besten eignet. Damit soll der Druck von Volksschullehrern genommen werden, von denen Eltern vehement gute Noten für das Kind fordern – damit es eine AHS besuchen darf.
•Musik, Sport und Sprachen. Die Neue Mittelschule soll individuelle Schwerpunkte setzen – durch Kooperationen mit Schulen für Musik, Sport, Fremdsprachen und verschiedenen Vereinen.

AUF EINEN BLICK: Neue Mittelschule Wien

Als Schulversuch startet im nächsten Schuljahr die Neue Mittelschule Wien, die langfristig gesehen AHS und Hauptschule ersetzen könnte. Die Förderung von hochbegabten und lernschwachen Kindern erfolgt in Form eines Kurs-Systems, die Kinder sitzen aber gemeinsam in einer Klasse. Bis November wird feststehen, welche AHS und Hauptschulen sich an dem Schulversuch beteiligen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2008)

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