„Beziehungsstatus kritisch“: Weltkrieg auf Facebook

A portrait of the Facebook logo
A portrait of the Facebook logo (c) REUTERS
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In einem groß angelegten Jahresprojekt zum Gedenkjahr des Ersten Weltkriegs zeigt das Wiener Theresianum, wie fächerübergreifender Unterricht aussehen kann. Sogar die Kleinsten machen mit.

Wien. Maria Theresia wacht von ihrem Bildnis aus über den Festsaal, in dem eine Schülerin ihr Referat hält. Diese spricht über die Hintergründe des Ersten Weltkriegs, Vielvölkerstaaten und den Nationalismus. Am Ende wendet sich die Schülerin an das Podium hinter ihr. Ob die EU mit dem Nationalstaatsprinzip entwicklungsfähig sei, will sie von den Gästen wissen – darunter der Autor Philipp Blom, ORF-Journalist Gerhard Jelinek sowie Christian Prosl, ehemaliger österreichischer Botschafter in den USA.

Dieses Pingpongspiel zwischen Referaten und Podium ist der Auftakt für den Abschluss eines groß angelegten Schulprojekts des Wiener Theresianums. Alle Klassen der Privatschule – vom Gymnasium bis zum Kindergarten – widmeten sich ein Jahr lang dem Ersten Weltkrieg. Um das Thema auch den Kleinsten näherzubringen, setzten die Pädagogen auf Frieden statt auf Krieg: Auf einer Weltkarte sahen sie sich die Herkunftsländer der Kinder an, kochten gemeinsam Gerichte aus aller Welt und sangen Lieder in unterschiedlichen Sprachen.

Revolution unterbricht Rede

Die älteren Jahrgänge näherten sich der Geschichte von inhaltlicher Seite – und dabei auf mitunter äußerst kreative Weise. So rollten Schüler der sechsten Klasse die Ereignisse vor hundert Jahren in Form einer (fiktiven) Facebook-Timeline auf: Dabei ändert Österreich seinen Beziehungsstatus mit Serbien auf „kritisch“, Italien verlässt die Gruppe der Mittelmächte, Frankreich erstellt die Veranstaltung „Friedensvertrag von Versailles“ – „23 Freunden gefällt das“. Andere Klassen tragen zum Abschluss englische Lyrik vor, inszenieren Karl Kraus' „Die letzten Tage der Menschheit“ oder zeigen ein Video über die Kriegsküche. Fünftklässler verteilen Anstecker mit alten Familienfotos, die sie nachgestellt haben. Und die Russischklasse stürmt mit roten Fahnen, Hämmern und Gewehren den Saal – die „Oktoberrevolution“ bereitete der Schlussrede von Theresianum-Kurator Stephan Nagler ein jähes Ende.

„Man muss zurückdenken“

„Ich finde, dass man zurückdenken muss. Das war schon eine arge Zeit. Das darf nicht in Vergessenheit geraten“, sagt Fünftklässler Christoph Wieland. Seine Klasse hat den Krieg in Zeichnen und Deutsch behandelt, in Geschichte sowieso. Die fächerübergreifende Annäherung findet er gut. Lea Mautner Markhof durfte sich als Klassensprecherstellvertreterin in Festtagsuniform die Eröffnung ansehen. Ob sie dabei etwas gelernt habe? „Ja, aber das meiste wussten wir eh schon.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.05.2014)

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