Südkorea: Wo Lehrer Millionäre sind

(c) Internet/Screenshot Washington Post
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Südkorea liegt bei Bildungsrankings weltweit regelmäßig im Spitzenfeld. Nachhilfelehrer werden mithin als Superstars gehandelt.

Seoul. Die Südkoreanerin „Clara“ ist in ihrem Land eine gefeierte TV- und Musik-Berühmtheit. Wenn jemand die seltene Ehre bekommt, ein Duett mit ihr zu singen, so muss das wohl ein anderer gefeierter Popkünstler oder Schauspieler sein. Irrtum! Jüngst nahm Clara ein Musikvideo im Stil des K-Pop auf, jener koreanischen Musikrichtung mit sagenhaften Umsatzzahlen in Asien, und zwar just mit einem Mathematiklehrer – dem jungen Cha Kil-Yong aus Seoul. Der ist freilich selbst ein Star. In Südkorea hat Bildung nämlich einen so hohen Stellenwert, dass auch Lehrer zu Superstars mutieren können.

Cha ist Inhaber einer Online-Nachhilfeplattform für Mathematik. Im Vorjahr habe er mit dieser acht Millionen US-Dollar (etwa 6,6 Millionen Euro) verdient, sagte er der „Washington Post“. Cha betreibt ein „Hagwon“ namens „SevenEdu“ im Internet. Hagwons sind Video-Nachhilfeplattformen, die südkoreanische Schüler nach dem regulären Unterricht nutzen, um dem Leistungsdruck standzuhalten. In einer regulären Schule war er noch nie angestellt. Hagwons spielen eine enorm wichtige Rolle in der Vorbereitung für die Aufnahmeprüfung für das College.

Lehrer von 300.000 Schülern

Die klassischen „cram schools“, also der Unterricht nach dem Unterricht, werden vermehrt von Hagwons abgelöst. Ein 20-Stunden-Kurs in einem Online-Hagwon kostet 39 US-Dollar, in cram schools kostet das bis zu 600 Dollar. Das Hagwon-Business hat sich bereits zu einer 20-Milliarden-Dollar-Industrie entwickelt.

In seinen Online-Tutorials will Cha nicht nur unterrichten, sondern auch unterhalten. Er hat ein buntes Repertoire an Kostümen und verkleidet sich etwa als Batman, Nilpferd oder Zirkusdirektor. Gesichtsmasken, Fitnesstraining und eigener Stylist gehören zum Leben eines südkoreanischen Online-Tutors genauso dazu wie das Beherrschen des Lehrfachs. Rund 300.000 Schüler sind bei Chas Mathematik-Unterricht eingetragen.

„Ich liebe die Mathematik, und obwohl es immer nur Mathematik auf Südkoreanisch bleibt, können verschiedene Lehrmethoden verschieden gute Lernerfolge bei Schülern erzielen“, sagt der Multimillionär über seinen unterhaltsamen Unterrichtsstil. Cha startete sein Hagwon nur, um sein PhD-Programm, das Pendant zum Doktoratsstudium, zu finanzieren.

Stellenwert Ausbildung

Eine gute Ausbildung fängt für Südkoreaner im Kindergarten an. Ein Kind muss in den „richtigen“ Kindergarten geschickt werden, um in die „richtige“ Volksschule gehen zu können, um später an der „richtigen“ Universität angenommen zu werden, und sogar, um den „richtigen“ Ehepartner zu finden. Viele Familien teilen sich wegen der Ausbildung der Kinder auf verschiedene Kontinente auf. Meist zieht die Mutter mit den Kindern in ein Land, in dem eine bessere Bildung garantiert ist. Der Vater arbeitet weiter in Südkorea, um die Ausbildungskosten finanzieren zu können. Eines der beliebtesten Ziele für Südkoreaner ist die Elite-Universität Harvard in Boston, an der Ostküste der USA.

Bei der PISA-Studie der OECD zählen Südkoreas Schüler immer zu den besten der Welt. Die jüngsten Erhebungen der OECD zeigen aber auch, dass Südkoreas Schüler weltweit am unglücklichsten sind.

Kritik von politischer Seite

Der ehemalige südkoreanische Bildungsminister Lee Ju-ho übt Kritik an dem System des ganztägigen Lernens und des extremen Leistungsdrucks. Entwicklungen in Bereichen wie kritisches Denken, Kreativität und soziale Kompetenz blieben auf der Strecke. Er sieht das Problem darin, dass Unis nur auf Noten, nicht auf außerschulische Aktivitäten achteten. „Wir brauchen dringend eine Veränderung in unserem System“, sagt Lee.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2015)

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