Schule: Integrationsprobleme der Regierung

(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
  • Drucken

Soll man „Integrationsunwillige“ bestrafen? Die SPÖ-Landeschefs Voves und Niessl haben mit ihrer Forderung einen Nerv getroffen und bringen nicht nur die eigene Partei unter Zugzwang.

Wien. Ein paar Tage dauerte es schon, bis sich der Integrationsminister in die Debatte einmischte. Erst am Wochenende forderte Sebastian Kurz (ÖVP) via ORF und „Krone“ Sanktionen für Schüler, die einen mangelnden Willen zur Integration zeigen. Dazu sollten Lehrer mehr Rechte erhalten, um sich durchzusetzen. Kurz könnte sich etwa einen „Dienst am Schulstandort“ als Strafe vorstellen. Und auch Eltern könnten bald Sanktionen drohen – etwa, wenn sie nicht zu Sprechtagen kämen.

Strafen und Sanktionen – das sind durchaus harte Töne, die der Integrationsminister anstimmt. Vor allem, weil sich Kurz in den vergangenen Jahren bemüht hat, das Thema von der positiven Seite zu beleuchten: Mit Integrationsbotschaftern, die als Vorzeige-Migranten durch die Schulen touren, oder seinem Motto „Integration durch Leistung“. Und die SPÖ? Die überließ dem Koalitionspartner großteils das Thema, ohne viel Eigeninitiative in diesem Bereich.

Doch vergangene Woche waren es ausgerechnet zwei Sozialdemokraten, die die neue Debatte rund um „Integrationsverweigerer“ anstießen: Die Landeshauptleute Franz Voves (Steiermark) und Hans Niessl (Burgenland) forderten Strafen bis hin zum Staatsbürgerschaftsentzug für „unwillige Zuwanderer“. Wie die Sanktionen im Detail aussehen sollen – und wie man Unwillen zur Integration genau definiert –, darauf gingen die beiden nicht ein. „Die Regierung soll Kriterien entwickeln“, meinte Niessl lediglich dazu.

Strafe für unkooperative Eltern

Doch die Regierung nahm die Wortspenden nicht wirklich ernst – bzw. ging vorerst nicht sonderlich darauf ein. In der SPÖ-Zentrale gab man sich abwartend. Die ÖVP in Person von Parteichef Reinhold Mitterlehner winkte hingegen ab. Er halte nichts von strafrechtlichen Maßnahmen in diesem Bereich. Und Justizminister Wolfgang Brandstetter wies im „Kurier“ darauf hin, dass er den „gerichtlich strafbaren Tatbestand für Nichtintegration“ als „nicht sinnvoll“ erachte.

Die von Voves und Niessl angestoßene Debatte dürfte dennoch einen Nerv getroffen haben. Sie verebbte – trotz Zurückhaltung an der SPÖ-Spitze – innerhalb der Partei nicht. Gestern, Montag, schaltete sich Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) mit Verspätung in die Debatte ein. Immerhin wurde in den vergangenen Tagen vor allem über Integrationsprobleme in den Schulen diskutiert.

Und auch Heinisch-Hosek war – ähnlich wie Minister Kurz – bemüht, Durchsetzungskraft zu demonstrieren: „Eltern sollen sich der Schule nicht ständig entziehen können.“ Sollten Erziehungsberechtigte Sprechtage und Vorladungen der Schule konsequent ignorieren, dann seien auch für Heinisch-Hosek Geldstrafen denkbar – und das, obwohl die von ihr einberufenen Experten davon abgeraten haben.

Die Regelung könnte sich an jenen bei den Schulschwänzern orientieren. Verfehlen dort alle Maßnahmen – vom Lehrer-Eltern-Schüler-Gespräch bis zur Einbindung des Jugendamts – ihre Wirkung, können Verwaltungsstrafen bis zu 440 Euro verhängt werden. Den Kurz-Vorschlag, integrationsunwillige Schüler zum Sozialdienst zu verpflichten, lehnte Heinisch-Hosek hingegen ab. Das ging der SPÖ-Ministerin dann doch zu weit.

Dass Schule nicht nur im Bereich der Integration, sondern auch bei der Prävention von Extremismus eine wichtige Rolle spiele, zeigte sich gestern bei einem Extremismusgipfel im Bildungsministerium. Nach zweistündiger Diskussion mit 70 Experten legte die Ministerin ihre Pläne vor. Sie wird demnach 300 kostenlose Workshops für Schüler anbieten. Kostenpunkt: 150.000 Euro. Außerdem wird an den pädagogischen Hochschulen (PH) für alle angehenden Lehrer eine verpflichtende Lehrveranstaltung zum Thema Konfliktprävention, Interkulturalität und Persönlichkeitsbildung installiert. In Kooperation mit dem Innenministerium werden außerdem 50 Präventionsbeamte zur Deradikalisierungsschulung eingesetzt.

Mehr Psychologen in Schulen

Und eventuell könnte es für die Schulen nach jahrelangem Warten auch mehr Psychologen und Sozialarbeiter geben. Das sei zwar eine „Frage der Gesamtregierung“, wie Heinisch-Hosek betont. Sie werde sich aber dafür einsetzen, dass zu den derzeit tätigen 180 Schulpsychologen noch hundert dazukommen. Das würde fünf bis sechs Millionen Euro kosten. Aus dem Bildungsbudget selbst könne das nicht finanziert werden. Es gebe aber ohnehin eine kostengünstigere Alternative: Die Schulen sollen zusehends für NGOs geöffnet werden. Auch so könnte das nötige Know-how in die Klassen kommen.

Übrigens: Nicht alle roten Landeshauptleute sind auf Linie mit Voves und Niessl. Der Kärntner Landeschef Peter Kaiser, der übrigens auch in der Reformgruppe der Regierung in Sachen Bildung sitzt, sieht keinen Bedarf an weiteren Strafen. Das bestehende Instrumentarium sei ausreichend. Wenn beispielsweise ein Schüler aus religiösen Gründen eine Lehrerin nicht akzeptiere oder wenn Mädchen den Schwimmunterricht nicht besuchen dürfen, gebe es jetzt schon schulrechtliche Möglichkeiten, darauf zu reagieren – und das schließe auch Strafen ein. Kaiser will lieber das Hauptaugenmerk auf Integrationsmaßnahmen und da vor allem auf den Spracherwerb legen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Schule

Integration: Heinisch-Hosek will über Strafen diskutieren

Eltern könnten sich ihrer Verantwortung „nicht ständig entziehen“, sagt die Bildungsministerin. Sie kann sich sogar Geldstrafen vorstellen.
Außenminister Sebastian Kurz
Schule

Integration: Kurz fordert Sanktionen an Schule

Integrationsminister Sebastian Kurz plädiert für mehr Durchgriffsrechte der Lehrer gegen Schüler und Eltern. Weiters will er einen Ausbau der Sozialarbeit, mehr Beratungslehrer und Pädagogen.
Integrations-Unwillige zum Sozialdienst: Entholzer rudert zurück
Politik

Sozialdienst für Integrationsunwillige: Entholzer rudert zurück

Der oberösterreichische SP-Chef nennt seinen Vorschlag in der Integrationsdebatte eine Überreaktion.
Integration: "Geh bitte, rede du als Mann mit ihm"
Bildung

Integration: "Geh bitte, rede du als Mann mit ihm"

Von Schwimm-Verweigerinnen bis hin zu den „Prinzen“: Gibt es in den heimischen Schulen – wie die SPÖ-Landeschefs Voves und Niessl kritisieren – tatsächlich ein Integrationsproblem?
SP-Entholzer schlägt Sozialdienst für Unwillige vor
Politik

SPÖ: Entholzer will Sozialdienst für "Integrations-Unwillige"

"Dann müssen die Männer vielleicht auch einmal putzen", sagt Oberösterreichs SP-Chef Entholzer. Der Wiener SP-Landesparteisekretär findet das "ein bisschen populistisch".

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.