Lehrer: „Der Imageverlust verunsichert“

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Diskussion um Lehramtsstudium: Pädagogik-Professorin Ilse Schrittesser tritt für eine Reform des Aufnahmeverfahrens ein. Nur die Besten ihres Faches sollen Lehrer werden.

Die Presse: Lehrer und Lehrerinnen stehen im Zuge der Arbeitszeitdiskussion seit Wochen am Pranger. Sind jetzt die Lehramtsstudierenden verunsichert?
Ilse Schrittesser: Meines Erachtens: Ja. Lehrerbildung an der Universität oder der Pädagogischen Hochschule ist im Grunde eine Ausbildungsentscheidung, eine Entscheidung für einen Berufszweig. Und wenn dieser Beruf einen herben Imageverlust verzeichnet, dann verunsichert das natürlich.

Schreckt das auch manche ab?
Schrittesser: Das kann ich jetzt empirisch nicht nachweisen. Wir haben nach wie vor gleich viele Anmeldungen, die Studierendenzahlen haben sich nicht verändert.



„Ich bin Topmathematiker, und deshalb fühle ich mich auch berufen, dieses Fach zu unterrichten.“

Ilse Schrittesser über die Voraussetzung für den Lehrerberuf

Jetzt gibt es seit sechs Wochen die Lehrer-Diskussion, es wird mit einem Einstellungsstopp der Junglehrer bis 2012, vielleicht bis 2014 gerechnet. Es wird vorerst, bis zur späteren Lehrer-Pensionsierungswelle, zu viele Junglehrer geben.
Schrittesser: Ich trete auch immer für die Überprüfung von Eingangskompetenzen ein, und zwar eine komplexe Form der Überprüfung, keine Knock-out-Prüfung. Weil wir schon – und das ist ein europa-weiter Trend – Studierende anziehen, die nicht unbedingt der Topleistungsebene angehören.


Auch Unterrichtsministerin Claudia Schmied will den Zugang zum Lehrerberuf neu gestalten. Wo steht da die universitäre Diskussion?
Schrittesser: Unsere Position ist: Wir würden uns gerne die Studierenden anschauen. Wir haben auf der Gesetzesebene einen freien Hochschulzugang, es ist also eine gesetzliche Regelung erforderlich. Jene, die sich für den Lehrerberuf entscheiden, sollen in allen drei Säulen entsprechen, nämlich in der pädagogischen Ausbildung, in der fachdidaktischen und der fachwissenschaftlichen. Es ist auch ganz wichtig, dass zukünftige Lehrer in ihrem Fach nicht zweite Wahl sind. Es geht nicht, dass man sagt, ich bin halt nicht der Topmathematiker, und deshalb entscheide ich mich für den Beruf. Sondern ganz im Gegenteil: Ich bin der Topmathematiker, deshalb fühle ich mich auch berufen, dieses Fach gut zu vermitteln. Diese Imageumkehr sollte mit einer komplexen Eingangsphase, einem Mix aus einer Selbstentscheidung und einer Fremdselektion, kommen.
Es sollte nicht nur die eigene Wahrnehmung, es sollte auch eine Fremdselektion dabei sein?
Schrittesser: Auch. Es muss eine Komponente von externer Entscheidung dabei sein.

Wann soll diese Entscheidung stattfinden?
Schrittesser: Ich könnte mir vorstellen, dass diese im Laufe des ersten Semesters stattfindet, aber nicht bloß mit einer Eingangsprüfung, sondern mit einem Letter of Motivation, das heißt, dass Studierende zunächst einmal begründen müssen, warum sie sich überhaupt für den Lehrerberuf entscheiden. Im Laufe des Eingangssemesters wird eine Palette von Inhalten, auch von Anforderungen, den Studierenden an der Universität oder an der Pädagogischen Hochschule gezeigt, damit sie selber einmal sehen können, ob dies überhaupt der Beruf ist, den sie sich vorgestellt haben. Es muss auch die Erfahrung einer Schulpraxis dabei sein. Und am Ende erhalten sie eine Rückmeldung von den Lehrenden, ob sie als geeignet eingeschätzt werden. Alle drei Komponenten müssten dann für die Auswahl zum Tragen kommen.

Welche der drei von Ihnen angesprochenen Säulen im Lehramtsstudium ist derzeit unterbelichtet?
Schrittesser: Meines Erachtens ist gar keine Säule unterbelichtet, aber jede ist natürlich verbesserungswürdig. Die Fachwissenschaft wird an der Universität sehr fundiert vermittelt, sie nimmt aber in erster Linie die Diplom-Studierenden, die Bachelor- und Master-Studierenden wahr und punziert die Lehramtsstudierenden sehr oft als Studierende zweiter Wahl. Bei der fachdidaktischen und pädagogischen Ausbildung ginge es durchaus auch darum, noch ein Stückchen mehr an reflektierter Schulpraxis zu ermöglichen. Dass wir jetzt an Schulen herankommen, ist nur aufgrund unserer Kooperationen, teilweise informellen Kooperationen, möglich.

Und die erste Schulluft sollten die Studierenden schon im ersten Studienjahr schnuppern?
Schrittesser: Ganz genau. Jetzt gehen unsere Studierenden laut Studienplan im zweiten beziehungsweise dritten Semester in die Schule. An der Uni Innsbruck gibt es das Modell, dass sie im Februar in die Schule kommen und eine erste Konfrontation erleben. Diese Konfrontation sollte tatsächlich früh geschehen, damit Studierende gerade auch das soziale Element, das sie in der Klasse vorfinden werden, aus der Rolle des Lehrers erleben. Dann sollten sie die Frage stellen: Ich mag zwar das Fach, aber kann ich es auch gut vermitteln? Halte ich auch diese soziale Situation gut aus? Das ist berufsentscheidend.

ZUR PERSON

Ilse Schrittesser ist Universitätsprofessorin am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien. Sie ist Leiterin der Abteilung für LehrerInnenbildung und Professionalisierungsforschung.

Das Uni-Institut ist für die Durchführung der Lehre im Bereich der schulpraktischen Ausbildung für den Uni-Standort Wien (höhere Schulen) und die Ausbildung der dafür benötigten Betreuungslehrer und -lehrerinnen zuständig. [privat]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.04.2009)

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