Prüfungstage: „Die Schule wird nicht an der Matura scheitern“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Besuch an einer Schule, an der es bei der Zentralmatura mehr Nicht genügend als an vielen anderen gab. Der Direktor erklärt am ersten Tag der Kompensationsprüfungen, warum das für ihn keine Überraschung war.

Wien. Elhama, ein zierliches Mädchen aus Afghanistan, ist bei der schriftlichen Matura durchgefallen. Vor drei Wochen saß sie vor den Aufgaben der Mathematikprüfung, sollte Skalarprodukte erläutern und Zahlenwerte erklären. Doch die Beispiele waren ihr zu textlastig, und die mathematische Interpretation war nicht ihre Stärke. Am Montag musste sie deshalb wieder in die Schule – wie viele andere Schüler, die die schriftliche Matura nicht bestanden haben.

Denn eine negative Note bei der Zentralmatura kann man nicht, wie bisher, einfach bei der mündlichen Matura ausbessern: Verlangt wird eine unabhängige mündliche Kompensationsprüfung. So mussten am Montag und Dienstag österreichweit alle Schüler, die schriftlich durchgerasselt waren, zu einer zentral vorgegebenen Prüfung in ihre Schule.

An der Schule von Elhama waren das viele. Deutlich mehr als an andere Schulen. Von einem „Fiasko“ an der Anton-Krieger-Gasse wurde im Zuge der zentralen Maturahysterie schon geschrieben. Tatsächlich gab es weniger als 20 Prozent Nicht genügend auf die Klausuren, wie „Die Presse“ erfuhr. Das Ergebnis liegt sehr deutlich über dem Wiener Schnitt von rund 7,9 Prozent.

So findet sich an den beiden ersten Junitagen knapp jeder fünfte Maturant der Liesinger Schule im Zimmer des Direktors wieder, um zu beweisen, dass er den Stoff doch beherrscht. Eine halbe Stunde Vorbereitungszeit, rund 25 Minuten Prüfungszeit. Die meisten der Gesichter strahlten nach der Prüfung, darunter auch das der zerbrechlich wirkenden Elhama: „Es war nicht so schwer“, sagt sie – noch etwas zittrig nach der Prüfung – über die Beispiele. Schließlich schaffen am 1. und 2. Juni rund achtzig Prozent der Schüler der Anton-Krieger-Gasse die Prüfung.

Ergebnis „nicht überraschend“

Doch woran liegt es, dass die Matura an der Anton-Krieger-Gasse den Schülern mehr Probleme bereitet als anderswo? Für Direktor Michel Fleck war das Ergebnis jedenfalls „nicht überraschend“, wie er sagt. „Das Hauptargument für das schlechtere Abschneiden hier ist der hohe Anteil von Kindern aus schwierigen Verhältnissen“, sagt er. „Wir nehmen auch Kinder, die anderswo keinen Schulplatz mehr bekommen“, Kinder mit diversen Problemen. „Wir hätten in der Oberstufe auch aussieben können und nur jene bis zur Matura lassen können, die sie sehr sicher schaffen“, sagt der Direktor. „Dann hätten wir die perfekte Matura gehabt.“

Michel Fleck sieht seinen Bildungsauftrag anders. Die Schule will möglichst vielen Kindern eine Chance geben und einen Querschnitt der Bevölkerung abbilden. Weshalb der Direktor auch nicht müde wird zu sagen, dass es in der Anton-Krieger-Gasse auch viele gute Schüler aus gutem Haus gebe. Denn: „Wir sind eine Gesamtschule.“ Formal ist die Anton-Krieger-Gasse in der Unterstufe eine Wiener Mittelschule, die Noten der Kinder sind also kein Ausschlussgrund. Aufbauend auf die Mittelschule folgt das Oberstufenrealgymnasium mit verschiedenen Zweigen. Wer die Leistungsstandards in der Unterstufe nicht erfüllt, wird auch nicht aufgenommen. Doch für schlechte Schüler, die motiviert sind, gibt es ein Vorbereitungsjahr: Eine Zwischenklasse für jene, die noch Stoff aufholen müssen. In den oberen Klassen würden auch noch viele Schüler abgehen, doch man versucht, niemanden hinauszuprüfen. Wenn ein Schüler nicht zurechtkommt, spricht man über Alternativen.

Schon im Vorfeld der Zentralmatura war klar, dass die einzelnen Schulen unterschiedlich abschneiden würden. Das Ministerium will sich zu den Standorten, die schlecht abgeschnitten haben, nicht äußern; die Schulen selbst haben einen Maulkorb bekommen, was ihre Ergebnisse betrifft. Nur hinter vorgehaltener Hand rühmt sich die eine oder andere Institution, dass kein einziger oder kaum ein Schüler einen Fünfer bekommen hat.

Jede Schule einzeln betrachten

Man würde sich jeden Standort einzeln ansehen, meinte Ministerin Heinisch-Hosek kürzlich. Das kann dauern, die Schulen machen sich in der Zwischenzeit ihre eigenen Gedanken. In der Anton-Krieger-Gasse soll es ab dem nächsten Schuljahr „offene Nachhilfe“ in Mathematik geben, dem Fach, das für die meisten der Stolperstein war: Ein Lehrer wird am Nachmittag für die Fragen zur Verfügung stehen, die im Unterricht keinen Platz finden. Und es soll einen Zwischentest in der sechsten Klasse geben. Damit die Schüler wissen, wo sie stehen und in welchen Bereichen sie noch aufholen müssen.

Dass die öffentliche Diskussion um die schlechten Ergebnisse bei der Matura noch für große Diskussionen sorgen und damit die Anmeldungen an der Schule ausbleiben, glaubt der Direktor nicht. Die Schule habe vieles zu bieten: „Wir werden nicht an der Matura scheitern.“ Die Maturanten, die am Montag zur Kompensationsprüfung antreten, wirken jedenfalls unerwartet locker. Der 17-jährige Bernhard ist einer von ihnen, er hat die Prüfung am Montag bestanden. „Ich bin eben keine Leuchte in Mathe“, sagt er im Anschluss. Seiner Schule gibt Bernhard keine Schuld für sein Durchfallen im ersten Anlauf. Hält er sie für eine gute Schule? Ja, sagt er. Auch deshalb, weil sie „nicht so anspruchsvoll“ sei. Ihm habe das gefallen. Wie auch immer sich die Frage des Niveaus auf ihre Zukunft auswirken wird: Die Schüler scheinen zufrieden. So auch Elhama: „Die Jahre hier waren schon toll. Ich werde die Schule vermissen“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.06.2015)

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