Bildungsreform: Nächtliche Einigung in letzter Minute

ERSTES TREFFEN DER BILDUNGSREFORM-ARBEITSGRUPPE DER BUNDESREGIERUNG: NIESSL / HEINISCH-HOSEK / KAISER / OSTERMAYER / PR�LL / MIKL-LEITNER
ERSTES TREFFEN DER BILDUNGSREFORM-ARBEITSGRUPPE DER BUNDESREGIERUNG: NIESSL / HEINISCH-HOSEK / KAISER / OSTERMAYER / PR�LL / MIKL-LEITNER(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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In der Nacht auf Dienstag haben sich Bund und Länder doch noch verständigt. Details werden zu Mittag präsentiert. Wir beleuchten, wer in der Reformgruppe welche Rolle spielte.

Dienstagfrüh stieg endlich weißer Rauch auf: Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Bildungsreform hat sich in der Nacht in allen Punkten geeinigt.

Heute Mittag um 12.00 Uhr wird die Bildungsreform präsentiert. Bis zuletzt dürften die Gespräche ziemlich heftig gewesen sein, mit einigen zentralen Entscheidungen warteten die Verhandler von SPÖ und ÖVP bis zum Schluss. Die Gespräche dauerten bis in die frühen Morgenstunden. 

Kanzler und Vizekanzler werden nach dem Ministerrat die Eckpunkte präsentieren, um 12.00 Uhr gibt es eine Pressekonferenz im Bildungsministerium mit Vertretern der Verhandler. "Ich freue mich, dass das Bildungssystem in eine neue Zeit geht", sagt Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek am Dienstag vor der Präsentation. Sie gibt sich also durchaus überzeigt davon, dass die Reform ein großer Wurf ist.

Einer der bis zuletzt ungelösten Brocken war die Schulverwaltung, bei der um einen Kompromiss zwischen Bund und Ländern gerungen wurde. Auch die Gesamtschule war Thema. Fix ist, dass die Bildungsverhandler heute Mittag einen Ausbau der Schulautonomie als Herzstück der Reform präsentieren werden. Laut dem Autonomiepaket – das bereits im Vorfeld durchsickerte – sollen die Schulen nicht nur mehr personelle und pädagogische, sondern auch finanzielle Autonomie erhalten. Zudem dürfte es Neuerungen beim Kindergarten geben.

„Die Presse“ hat sich angesehen, welcher der Verhandler und Einflüsterer welchen Einfluss auf die Reform hatte.

Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Die Krisengeschüttelte

Die Bildungsministerin dürfte nach wiederkehrenden Rückschlägen zuletzt selbst den Glauben an eine großen Reform verloren haben. Zuletzt sprach sie nur noch von einer „Absichtserklärung“. Es sei der „Startschuss“ für eine Reform. Zuversicht klingt anders. Ihre vielen Wünsche – von einer Gesamtschule bis hin zu einem neuen Lehrplan – bleiben vorerst auch solche. Als sie das Amt der Bildungsministerin antrat, war die Hoffnung groß, dass sie als resolute Verhandlerin dem Grabenkampf in der Bildungspolitik ein Ende setzen könnte. Einige Fauxpas am Beginn ihrer Amtszeit schwächten sie – und dämpften auch den Rückhalt in der eigenen Partei. Das dürfte sich negativ auf die Reform ausgewirkt haben.

Harald Mahrer (ÖVP):

Der inszenierte Innovator

Mit dem Staatssekretär an der Spitze des ÖVP-Bildungsverhandlungsteams gebe es in der Bildungsdiskussion frischen Wind. Kompromisse mit der SPÖ seien erstmals möglich. Das war die Hoffnung. Erfüllt hat sich die nur bedingt. Denn Mahrer vermarktete zwar seine Slogans („Die beste Bildung für jedes Kind“) geschickt und redete gern über lockere Bildungsthemen (wie etwa über die Digitalisierung), hatte aber Mühe, diese Ideen auf den Boden zu bringen. Klare Positionen bezog er weder in der Verwaltungs- noch in der Gesamtschulfrage.

Josef Ostermayer (SPÖ):

Der Manager

Als der 17. November als Abgabetermin für die Bildungsreform präsentiert wurde, war es nicht die Bildungsministerin, die bei der Verkündung an der Seite von Kanzler Werner Faymann (SPÖ) stand. Es war Kanzleramtsminister Josef Ostermayer. Ein vielsagendes Bild. Der Regierungskoordinator nimmt eine entscheidende Rolle innerhalb der Reformgruppe ein und stellt die krisenerprobte Bildungsministerin dadurch immer wieder in den Schatten. Er dürfte zwar nicht der inhaltliche Drahtzieher sein, aber der Manager und Troubleshooter nach außen. Als die Landeshauptleute Hans Niessl (SPÖ) und Erwin Pröll (ÖVP) Anfang Juli die Bildunsgreform verärgert verließen, stand Ostermayer den Medien Rede und Antwort – nicht die Ministerin.

Johanna Mikl-Leitner (ÖVP):

Die nicht Existente

Dass die Innenministerin in die Reformgruppe geschickt wurde, sorgte für Verwunderung. Nun: Beim Start der Gruppe war sie noch Spiegelministerin von Heinisch-Hosek. Als ÖAAB-Chefin hätte sie Bindeglied zur Gewerkschaft (und generell zu Erwin Pröll) sein können. Zuletzt dürften Bildungsfragen im Schatten von Terror und Flüchtlingen untergegangen sein. Weshalb sie teils gar nicht anwesend war.

Erwin Pröll (ÖVP):

Die schwarze Eminenz

Ja, der niederösterreichische Landeschef hat die Gruppe im Sommer verlassen. Er dürfte trotzdem gerade beim größten Streitthema – der Schulverwaltung – auch von außen Druck gemacht haben. Sein Wort hat in der ÖVP und bei den Länderkollegen nach wie vor Gewicht. Zuletzt ätzte er, dass die Reform wohl nur ein Reförmchen werde. Woran er selbst nicht ganz unschuldig ist.

Wilfried Haslauer (ÖVP):

Der neue Länderchef

Anfangs eher zurückhaltend und einer, der Kompromissbereitschaft signalisierte, schien der Salzburger Landeschef zuletzt die Rolle des Wortführers der Länder übernommen zu haben. Zuletzt brach er mit einem Brief, in dem er auf Verländerung der Lehrer drängte, kurz vor dem Abgabetermin einen medialen Schlagabtausch vom Zaun.

Michael Häupl (SPÖ):

Das rote Schwergewicht

Der Wiener Bürgermeister sprang erst im Sommer für Hans Niessl ein. Der Zeitpunkt hätte kaum ungünstiger sein können – nicht nur, weil er davor die Lehrer mit einem zynischen Kommentar über deren Arbeitszeit verärgert hatte. De facto war das rote Schwergewicht bis vor drei Tagen mit Wien-Wahl und anschließender Koalitionsbildung zugange. Häupl will Wien zur Gesamtschulregion machen und hat sich dafür wohl starkgemacht. Er verfolgt aber eher seine eigene Linie als Heinisch-Hosek zur Seite zu stehen.

Günther Platter (ÖVP):

Der Zwiegespaltene

Der Tiroler Landeschef, der für Erwin Pröll einsprang, hielt zuletzt mit seinem Missmut nicht hinter dem Berg – im wahrsten Sinne des Wortes: Würden die letzten Termine nicht ordentlich vorbereitet, ginge er „lieber auf den Berg“. In der Gesamtschulfrage ist Platter mit der ÖVP-Bundespartei nicht einer Meinung. Und dürfte in der Gruppe auf Versuche gepocht haben.

Peter Kaiser (SPÖ):

Der Unscheinbare

Schon die Nominierung des Kärntner Landeschefs wurde von manchen eher als Notlösung interpretiert. Zumindest nach außen hin fiel er tatsächlich nicht auf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2015)

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