Ein Drittel aller Maturanten unter Lehrplanniveau

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Schlechte Ergebnisse von AHS-Absolventen als Plädoyer für Zentralmatura. Das am Dienstag im Unterrichtsministerium vorgestellte Detailkonzept sieht jedenfalls Änderungen zum ursprünglichen Entwurf vor.

WIEN (chs). Glaubt man den Statistiken, ist es schlecht bestellt um die Qualität der österreichischen Reifeprüfungen: In Englisch etwa sind 40 Prozent aller Schulabgänger nicht auf dem im Lehrplan geforderten Sprachniveau, so das Ergebnis von Eingangstests an den Fachhochschulen. Und selbst bei jenen AHS-Absolventen, die in den vergangenen drei Jahren ein Anglistik-Studium beginnen wollten, war ein Drittel in Englisch unter Maturaniveau. In den Jahren 2007 und 2008 wiesen 15 Prozent bei den Tests an den Unis Wien und Innsbruck gar nur die Fremdsprachkenntnisse eines Unterstufenschülers auf.

Es sind Zahlen wie diese, die die Bildungsexperten von Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) vorlegen, wenn sie für die geplante Zentralmatura (Details siehe Factbox) für alle AHS-Schüler plädieren. Diese soll das Qualitätsniveau steigern und die Matura „objektiv, transparent, fair und kompetenzorientiert“ gestalten, so die Argumentation von Josef Lucyshyn, Direktor des Bildungsinstituts Bifie.

Detailkonzept präsentiert

Und Argumentationsbedarf besteht: Damit die teilzentrale Reifeprüfung (wie von der Ministerin vorgesehen), im Schuljahr 2013/14 Realität wird, sind noch die AHS-Lehrergewerkschaft und – für den Gesetzesbeschluss – vor allem der Koalitionspartner ÖVP zu überzeugen. Schmied macht deshalb vorsorglich auch ihre Zustimmung zur Novelle des Uni-Gesetzes von der Unterstützung ihrer Vorhaben durch die ÖVP abhängig.

Das am Dienstag im Unterrichtsministerium vorgestellte Detailkonzept sieht jedenfalls Änderungen zum ursprünglichen Entwurf vor: So soll die schriftliche Prüfung künftig nur in Deutsch, Mathematik und den Fremdsprachen Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch zentral erstellt werden. In anderen Fächern, etwa Darstellende Geometrie, arbeiten vorerst weiterhin die Klassenlehrer die Fragen aus.

Wohl ein Zugeständnis auch an jene, die durch die Zentralmatura die Schulautonomie in Gefahr sehen. Die ÖVP etwa forderte, dass nicht nur die Fragen der mündlichen Reifeprüfung weiterhin von den Lehrern selbst zusammengestellt werden, sondern auch Teile der schriftlichen Matura. So solle schulspezifischen Schwerpunkten Rechnung getragen werden.

Für Lucyshyn ist das keine Lösung: Mit der zentralen Reifeprüfung werde etwa in Englisch das Erreichen des erforderlichen Kompetenzniveaus abgeprüft. Was also „soll man da noch zusätzlich fragen?“ Auf Schwerpunkte könnten die Schüler zudem in der mündlichen Prüfung und einer „vorwissenschaftlichen Arbeit“ eingehen.

Die neue Reifeprüfung verfolgt ein weiteres Ziel: Sie soll das „träge Wissen“, das kurz vor der Prüfung angelernt und schnell wieder vergessen wird, zurückdrängen, sagt Lucyshyn. Stattdessen sollen Kompetenzen erworben und angewendet werden.

Schon 17.000 Absolventen

Ein Vorteil auch für die Vergleichbarkeit der Abschlüsse. Bisher sei es oft so, dass die Schüler von Lehrern auf Teilbereiche „dressiert“ würden, Aufgaben von Parallelklassen könnten nicht gelöst werden, sagt Klaus Tasch, Direktor des Gymnasiums Klusemannstraße in Graz. Seine Schule nimmt seit einem Jahr am Schulversuch Zentralmatura teil. Insgesamt absolvierten bundesweit schon 17.000 Schüler die neue Reifeprüfung.

Und das mit Erfolg, wie es heißt: Auch Lehrer seien, sobald sie mit der Zentralmatura vertraut sind, zunehmend begeistert. Dass man sich an Standards messen könne, sei motivierend, sagt Walter Jahn, Direktor am Wiener Sigmund-Freud-Gymnasium, das ebenfalls die Zentralmatura abhält.

In Zukunft, heißt es im Ministerium, sollen die Lehrer auch bei der Ausbildung auf die neuen Anforderungen vorbereitet werden. Spätestens dann sollte keiner, der ein Maturazeugnis in Händen hält, mehr auf Unterstufenniveau sein.

Gastkommentar S. 26, Glosse S. 27

AUF EINEN BLICK

Die Zentralmatura soll ab dem Schuljahr 2013/14 verpflichtend für alle AHS gelten. In den Fächern Deutsch, Mathematik und in den Fremdsprachen sollen dann alle Maturanten die gleichen Fragen zur schriftlichen Reifeprüfung erhalten, auch einen Lösungsschlüssel gibt es. Ausgearbeitet werden sie von einem Expertengremium aus Uni-Wissenschaftlern und Lehrern.

Die mündliche Matura wird weiterhin autonom an den Schulen erstellt. Zusätzlich ist von jedem Schüler eine „vorwissenschaftliche Arbeit“ zu verfassen. Für die Reform fehlt Ministerin Schmied noch die Zustimmung der ÖVP.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.06.2009)

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