Mehr Ganztagsschulen: Umstrittene Einigung

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Sollen die 750 Millionen Euro tatsächlich nur den Ganztagsschulen zukommen? SPÖ und ÖVP sind uneins.

Wien. Es ist ein bildungspolitisches Déjà-vu: SPÖ und ÖVP präsentieren medienwirksam ihre erzielte Einigung – um schon wenig später wieder öffentlich darüber zu diskutieren. So ist es im Herbst bei der Präsentation der Bildungsreform passiert, und so läuft es derzeit gerade bei der Verkündung des Ausbaus der Ganztagsschule.

Im Ministerrat am Dienstag wurden von der einen Milliarde Euro, die die Banken einmalig als Abschlagszahlung leisten müssen, 750 Millionen Euro den Ganztagsschulen zugesprochen. Mittlerweile ist zwischen den Koalitionspartnern aber nicht nur strittig, wer das Geld bekommen, sondern auch wofür es tatsächlich eingesetzt werden soll.

Offenbar lässt der Ministerratsvortrag zu großen Interpretationsspielraum. Wörtlich heißt es darin, dass die 750 Millionen Euro „insbesondere für den Ausbau von ganztägigen Schulformen zur Verfügung gestellt werden“. Das Bildungsministerium versteht darunter, dass die gesamten 750 Millionen Euro ausschließlich den Ganztagsschulen zukommen sollten – mit dem Großteil des Geldes sollen weitere Ganztagesplätze geschaffen werden, mit den übrigen Mitteln die Infrastruktur an bereits bestehenden Ganztagsschulen verbessert werden. Die ÖVP-Landeshauptleute sowie das Finanzministerium sehen das anders. Das Wort „insbesondere“ bedeutet für sie nämlich, dass nicht ausschließlich Ganztagsschulen aus den 750 Millionen gefördert werden sollen. Es gehe allgemein um Zukunftsinvestitionen, wird das Finanzministerium im „Kurier“ zitiert. Das Geld könne also auch für Kindergärten, -krippen und Fachhochschulen eingesetzt werden.

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Die gesamten 750 Millionen Euro würde das Bildungsministerium gern auf dem eigenen Konto sehen. Die Mittel würden dann je nach Bedarf zweckgebunden an Länder und Gemeinden verteilt. Doch auch die ÖVP-regierten Länder Steiermark, Oberösterreich und Vorarlberg erheben (Teil-)Anspruch – und erhalten auch hier vom Finanzministerium Rückendeckung. Laut diesem sollten die Länder 330 Millionen Euro erhalten.

Echte Ganztagsschule ist noch selten

Auch wenn der Weg noch diskutiert wird, das Ziel ist klar: Bis 2025 sollen durch die einmalige Investition von 750 Millionen Euro rund 120.000 zusätzliche Ganztagsbetreuungsplätze entstehen. Zum Vergleich: Derzeit gibt es 150.000 derartige Plätze. Damit soll es künftig für 40 Prozent aller Pflichtschüler (also vor allem für Volks-, NMS- und AHS-Unterstufenschüler) einen Ganztagsplatz geben. Die Anreise zur nächsten Ganztagsschule soll nicht länger als 20 Kilometer sein.

Wie diese Ganztagsschule aussehen soll, bleibt den Standorten überlassen. Es können verschränkte Ganztagsschulen, in denen sich Unterricht-, Lern- und Freizeit abwechseln und die Kinder automatisch zur ganztägigen Anwesenheit verpflichtet sind, entstehen. Das ist das präferierte Modell der SPÖ. Möglich ist aber auch eine reine Nachmittagsbetreuung sowie eine Mischform. Im ausgelaufenen Schuljahr besuchte jeder fünfte Schüler eine Ganztagsschule. Wobei die verschränkte Schule ein Minderheitenprogramm ist. Nur acht Prozent der Schulen mit Ganztagsbetreuung sind verschränkte Ganztagsschulen (siehe Grafik). Die meisten gibt es in Wien.

In der Vergangenheit ist der Ganztagsschulausbau langsamer vorangegangen als politisch erwünscht. Die Länder schöpften die zur Verfügung gestellten Mittel, die sie hätten kofinanzieren müssen, nicht aus. Daraufhin wurden die Gelder vorübergehend gekürzt. Schlussendlich seien sie aber fast zur Gänze abgeholt worden. Man sehe also keine Gefahr, dass man auf den 750 Millionen Euro sitzen bleibt, heißt es aus dem Ministerium.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.07.2016)

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