Die Schule ist einfach? Lüge!

Lerncoach Raman Mehrzad
Lerncoach Raman Mehrzad(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Jeder kann Topleistungen erbringen, sagt Lerncoach Raman Mehrzad, der einst als Flüchtlingskind nach Schweden kam. Es braucht nur Ziele, das richtige System – und harte Arbeit.

Schon der erste Satz des Buches ist beinahe eine Provokation in einem Land, in dem gern über Streber hergezogen wird. „Willst du nur Einser im Abschlusszeugnis haben?“, fragt Raman Mehrzad. „In diesem Buch erfährst du, wie du es schaffen kannst.“ Dass das geht, weiß Mehrzad aus eigener Erfahrung. Der 31-Jährige, der als Kind iranischer Flüchtlinge nach Schweden kam, hat einst in der Schule mit seinem Notendurchschnitt einen Rekord aufgestellt. Und betätigt sich neben seinem eigentlichen Job als Arzt an einem renommierten Spital in den USA nun auch als Lerncoach.

Dabei fordert er gängige Diskurse über das Lernen als total freudvolle Angelegenheit ein bisschen heraus. Lernen sei nämlich durchaus hart und mühsam. „Ich werde ehrlich sein und dir sagen, wie es ist“, schreibt er in seinem eben auf Deutsch erschienenen Buch. „Du hast keine Chance auf Topnoten, wenn du faul bist.“ Man müsse fokussiert sein. Auf einiges verzichten und manchmal auch kämpfen. „Dass Schule Spaß macht, dass Schule ganz einfach ist: Das stimmt so nicht“, sagt Mehrzad im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“. „Ich glaube, dass Schule nur dann Spaß macht, wenn man anfängt zu verstehen, wie man Sachen lernt, und wenn man gute Resultate erzielt.“


Hart für seine Träume arbeiten. Sich selbst Druck machen, sich immer mit jenen vergleichen, die besser sind als man selbst, auf anderes verzichten, in kurzer Zeit das Maximum leisten und sich nicht zufrieden geben, weil man dann bequem wird: Längst nicht alles in dem Buch ist in dieser Tonalität geschrieben. Aber was sich zwischen den Tipps fürs Lernen und fürs bessere Planen – von der positiven Einstellung im Unterricht über das Prioritätensetzen bis hin zum gesunden Essen – findet, geht doch ein wenig gegen den Mainstream. „Man muss sich nicht quälen“, sagt Raman Mehrzad selbst. „Ich würde es so sagen: Man braucht den Willen, hart für seine Ziele und für seine Träume zu arbeiten. Und das macht einen am Ende doch auch glücklich.“


Flucht aus Iran wegen Golfkrieg. Der Traum, das Ziel, die Vision ist ein zentraler Punkt. „Es kommt darauf an, den Funken und den Willen zu besitzen, etwas Größeres zu schaffen“, heißt es in dem Buch. Bei Mehrzad ist das wohl mit aus seiner Familiengeschichte entstanden: Geboren im Iran, flüchtete die Familie nach Schweden, als Teheran im ersten Golfkrieg bombardiert wurde. „Es war schwer für meine Familie“, erzählt er. Viel Geld war nie da, die Familie – der Vater hatte in Teheran bei einem Juwelier gearbeitet, die Mutter als Friseurin – kämpfte andauernd damit, die Rechnungen zu zahlen. „Ich wusste, dass ich nie so leben wollte.“

Als er eines Tages, mit elf oder mit zwölf Jahren, seinen Vater fragte, was er denn tun müsse, damit er einmal ein besseres Leben habe, habe der gesagt: „Lernen und schauen, dass du gute Noten hast.“ „Und ich habe gesagt: ,Wirklich? Nur das?‘ Er sagte: ,Damit fängst du einmal an. Und dann siehst du weiter.‘“ Dass der Erfolg im Leben davon abhänge, wie hart man dafür arbeite – das gilt laut Raman Mehrzad auch für Flüchtlinge heute. „Meine Geschichte zeigt, dass es ganz egal ist, wo du herkommst“, sagt er. „Wenn du eine Vision hast und den Glauben daran, dass du es schaffen kannst, kannst du alles machen, was du willst.“

Den Biss hat er selbst jedenfalls bewiesen. Nach seinem Notenrekord im Gymnasium studierte er nicht Technik – der für das Studium verlangte Notenschnitt war sein eigentlicher Antrieb gewesen, gute Schulleistungen zu erbringen –, sondern Medizin in Göteborg. Bei seinem Wechsel in die USA, wo er heute in New Haven als Internist arbeitet und forscht, lernte er den Stoff aus vier Jahren US-amerikanischer Medizinerausbildung in einem Jahr. „Das war ziemlich verrückt“, sagt er. „Ich habe 16 Stunden täglich gelernt. Und mir erlaubt, eine Stunde fernzuschauen.“

Keiner lehrt Schüler das Lernen.
Ausnahmetalent sei er keines. „Ich bin ein sehr rationaler Mensch: Ich bin nicht dumm, aber ich bin auch kein Einstein. Sonst hätte ich nicht dieses Buch geschrieben.“ Denn darin gehe es um die Methoden dafür, Topleistungen zu erbringen. Und die hätten in Schweden – wo Mehrzad auch eine Lernberatungsfirma hat – bei Tausenden Schülern gute Ergebnisse gezeigt. „Es geht um die Vision, um die Einstellung – und um das richtige System fürs Lernen.“

Das sei nämlich das große Problem im klassischen Schulbetrieb: Da werde ein Haufen Schüler in eine Klasse geschmissen – und dann sollten sie draufloslernen. „In jedem anderen Bereich ist es selbstverständlich, dass man dir zeigt, wie das geht: Du willst den Führerschein machen? Du lernst Autofahren! Du willst Arzt werden? Du gehst auf die Medizin-Uni! Aber in der Schule zeigt dir keiner, wie man lernt.“


Die Frage nach den Noten. Dass eine Grundannahme seines Buches in Österreich – einem Land, in dem der Notenschnitt für den Uni-Zugang irrelevant ist – nicht funktioniert, sieht Mehrzad nicht als Problem: Nur, weil man die Einser für die Uni nicht brauche, seien sie längst nicht nichts wert. „Gute Noten sind ein Bonus für das ganze Wissen, das man sich aneignet“, sagt er. Sie würden einem Selbstvertrauen geben, und so zu neuen Erfolgen anstacheln. „Und sie zeigen, dass man hart arbeitet und ehrgeiziger ist als andere.“ Und daran sei – auch wenn es in Österreich bisweilen schiefe Blicke einbringt – nun gar nichts auszusetzen.

Buch

„Eins plus. Der ultimative Guide für mehr Lernerfolg“ wurde in Schweden ein Bestseller. Das Buch ist auf Deutsch bei edition a erschienen. 240 Seiten, 19,95 Euro.

Raman Mehrzadwurde 1985 in Teheran geboren. Seine Eltern flüchteten wegen des ersten Golfkriegs nach Schweden, wo er nach dem Gymnasium Medizin studierte. Er arbeitet heute als Arzt in den USA.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.09.2016)

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