Herbert Weiß über scheinbare Schulexperten, leere Versprechungen und markige Nordkorea-Sprüche.
Die Presse: Von Ihnen gab es angesichts des am Dienstag präsentierten Schulautonomiepakets ausschließlich Kritik. Darf man als Vorsitzender der AHS-Lehrergewerkschaft eigentlich nichts Positives an einem Reformvorschlag finden?
Herbert Weiß: Darf man schon. Es gibt auch ein paar Dinge am Reformpaket, die ich positiv sehe, aber leider ist der überwiegende Teil negativ. Deshalb haben wir uns dagegen wehren müssen.
Was finden Sie denn positiv?
Ich habe etwa nichts gegen die Objektivierung im Bestellungsverfahren von Direktoren. Ich habe auch ich nichts gegen mehr Schulautonomie – wenn sie nur das liefern würde, was man nach außen hin verkauft.
Sehen Sie die Reform also als PR-Masche?
Ja. Es ist wie so oft: Man sucht sich einen Namen, der nach außen gut klingt, und dahinter verbirgt sich etwas ganz anderes.
Am meisten kritisieren Sie, dass der Direktor künftig über die Klassenschülerhöchstzahl und die Teilungszahlen selbst entscheiden können soll. Weshalb stört Sie diese Freiheit?
Als Direktor kann man jetzt schon die Gruppengrößen verändern, die Lehrpläne adaptieren usw. Diese Freiheiten gibt es schon. Man hätte diese nur noch etwas ausbauen müssen. Dazu hätte man die Klassenschülerhöchstzahl und die Teilungszahlen aber nicht komplett aufheben müssen. Dass man das dennoch getan hat, kann also nur bedeuten, dass man in der Folge von größeren Klassen langfristig plant, weniger Lehrer zur Verfügung zu stellen.
Die Ministerin versichert, dass das nichts damit zu tun hat und an dem Verteilungsschlüssel, wie viele Lehrer auf einen Schüler kommen, nicht gerüttelt wird.
Das kennen wir schon. Auch in der Vergangenheit hat man uns bei der Entlastungsverordnung versprochen, dass die Stunden, die eingespart werden, im System bleiben. Das war eine leere Versprechung, und so sehe ich es diesmal auch.
Sie haben gesagt, dass ein Problem bei Schulreformen ist, „dass man die Leute, die vor Ort sind und eine Ahnung haben, nicht fragt“. Das suggeriert, dass die handelnden Politiker keine Ahnung haben.
Das kann man daraus nicht schließen. Was mich stört, ist, dass alle so tun, als wären sie Experten, nur weil sie selbst einmal in die Schule gegangen sind. Das ist zu wenig. Ich bin auch kein Experte für Wirtschaft, nur weil ich im Supermarkt einkaufen gehe. Aber ich will den Politikern nicht das Recht absprechen, dass sie sich Dinge überlegen. Die Frage ist nur, warum sie in die Prozesse nicht Leute aus der Praxis miteinbeziehen.
Die Ministerin sagt, dass sie das tue.
Ich kenne niemanden, der eingebunden war.
Ist durch die neue Ministerin noch kein neuer Stil in das Bildungsressort eingezogen?
Ich kann ihn nicht erkennen.
Ihr Vorgänger, Eckehard Quin, war für seine harten Worte bekannt. Er sprach von einer Schuldiktatur à la Nordkorea und drohte einmal mit Krieg. Würden Sie solche Begriffe auch verwenden?
Ich bin nicht für solche harten Worte bekannt. Aber ich kann nicht garantieren, was ich sagen würde, wenn ich das Gefühl hätte, ins Eck gedrängt zu werden. Dann würde wohl auch ich stärker herausschießen.
Waren die Lehrer damals, als die Modellregionen zur Gesamtschule angekündigt wurden, so in der Ecke, dass man mit dem Nordkorea-Sager aus der Ecke schießen musste, um bei Ihren Worten zu bleiben?
Der Nordkorea-Sager ist gut angekommen. Wenn man einen markigen Spruch loswird, gibt es zwar ein paar, die sich aufregen, aber es gibt auch Leute, die nachdenken, was dahinterstecken könnte, und die daran zu zweifeln beginnen, dass das etwas ganz Tolles ist.
Ist die Modellregion für Sie ein No-go?
Wenn es ein tolles Modell wäre, dann könnte ich mir vorstellen, dass sich auch AHS beteiligen. Aber wenn es so ist wie bei der Neuen Mittelschule, die uns als Stein der Weisen angepriesen wurde, würde ich für mein Kind eine andere Lösung in Erwägung ziehen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2016)