"Wir müssen schauen, dass Kinder selbst lernen wollen"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Schulen sollten Glückskonzepte einführen, die sich durch alle Fächer ziehen, sagt Experte Karlheinz Ruckriegel.

Die Presse: Welche Faktoren entscheiden über Glück?

Karlheinz Ruckriegel: Zu den Glücksfaktoren – und die sind auch ganz wichtig für die Schule – gehören zunächst gelungene soziale Beziehungen. Weiters muss man das, was man tut, als sinnvoll ansehen – wir sprechen von Engagement. Außerdem kommt es auf Gesundheit und die persönliche Haltung an, also ob man eher optimistisch oder pessimistisch ist. Ein Glücksfaktor ist auch, ob man auf das, was man tut, Einfluss hat. Dieser Faktor ist wohl bei den Erwachsenen stärker. Im Prinzip bestimmen aber bei Erwachsenen und Kindern dieselben Faktoren über das Glück.

Wie muss Schule sein, damit Kinder dort gern hingehen?

Damit Kinder gern in die Schule gehen und lernen, braucht es positive Gefühle und Engagement. Man muss darauf schauen, dass die Kinder auch in der Lage sind, ihre Stärken und Potenziale auszuleben, etwa durch Wahlfächer. Schüler müssen positive Erlebnisse haben. Das kann ein Lehrer nicht allein schaffen. Dafür muss es grundsätzliche Überlegungen an der Schule, vielleicht sogar auf Ebene der Ministerien geben. Es gibt entsprechende Vorbilder: In Neuseeland etwa wurde ein Glückskonzept erarbeitet, das sich durch alle Fächer zieht.

Sie sind aber nicht für ein Fach Glück, so wie es Schulen in der Steiermark eingeführt haben?

Nein, man muss das ganze Konzept verankern. So muss man einem Kind etwa sagen können, warum es etwas lernen soll. Kinder müssen einen Sinn in dem sehen können, was sie tun. Die Antwort auf die Frage „Warum machen wir das?“ kann nicht sein „Weil es im Lehrplan steht“.

Also Persönlichkeitsbildung statt Wissen?

Ohne Wissen geht es natürlich auch nicht. Aber der Eindruck, den ich oft habe, ist, dass dem Stoff alles untergeordnet wird. Das sollte nicht so sein. Man muss schon überlegen, wieso welcher Stoff durchgearbeitet wird. Es muss schließlich auch Freiräume geben, damit die Kinder sich entfalten können und ihre eigenen Stärken entwickeln und leben können. Wir müssen schauen, dass die Kinder eine intrinsische Motivation entwickeln und selbst lernen wollen.

Sollten die Schulen die Zufriedenheit der Schüler abfragen?

Ich würde das durchaus analog zu den Unternehmen sehen, da wird ja auch die Arbeitszufriedenheit abgefragt. Ich denke schon, dass man das da auch machen muss.

Ist das Glück eigentlich ein Talent oder eine Wissenschaft?

Die Glücksforschung ist eine Wissenschaft. Manche beherzigen das, was wir wissenschaftlich erforscht haben, von Haus aus mehr als andere. Man kann aber auch lernen zu sagen, dass das Glas halb voll ist.

Worum geht es bei der Glücksforschung?

Es geht letztlich um die zwei Ausprägungen des subjektiven Wohlbefindens: Einerseits das emotionale Wohlbefinden, das ist vereinfacht gesagt das Verhältnis zwischen positiven und negativen Gefühlen im Tagesdurchschnitt. Das andere ist das kognitive Wohlbefinden, das ist die Frage: „Wie zufrieden bin ich vor dem Hintergrund meiner Ziele, Wünsche und Erwartungen?“

Bei Kindern liegen diese Lebensziele ja noch weit voraus. Sind sie demnach also glücklicher als Erwachsene?

Ich denke, man kann das schon so sagen. In Umfragen wird weltweit nach der grundsätzlichen Zufriedenheit mit dem eigenen Leben gefragt. Nur wenige Kinder sind demnach wirklich unzufrieden. (rovi)

ZUR PERSON

Karlheinz Ruckriegel,59, ist Glücksforscher und Professor für Volkswirtschaft an der Technischen Hochschule Nürnberg. Am Dienstag war er in Wien zu Gast bei der Fachtagung „Schule grenzenlos“: Die Glücksforschung sei ein Top-Forschungsbereiche der Volkswirtschaft. [ Privat ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2016)

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