Reine Mädchenschule: Auf den Spuren von Romy Schneider

Schülerinnen der 4a vor der NMS Goldenstein in Elsbethen bei Salzburg. Johanna, Lena, Sira und Co. werden schon an anderen Schulen sein, wenn im Herbst die ersten Buben hier lernen.
Schülerinnen der 4a vor der NMS Goldenstein in Elsbethen bei Salzburg. Johanna, Lena, Sira und Co. werden schon an anderen Schulen sein, wenn im Herbst die ersten Buben hier lernen.(c) Bernadette Bayrhammer
  • Drucken

Die katholische Neue Mittelschule Goldenstein bei Salzburg ist eine der wenigen reinen Mädchenschulen, die es in Österreich noch gibt. An der Schule hält man das Konzept für gut. Trotzdem werden bald auch Buben aufgenommen.

Es braucht nicht viel Fantasie, um an Harry Potters Zauberschule Hogwarts zu denken, wenn am frühen Morgen Nebelschwaden von der nahegelegenen Salzach heraufziehen und an den Türmen von Schloss Goldenstein hängenbleiben. Geht man in der Schule über knarrende Holzstufen durchs Schloss nach oben, kommt man sich ein bisschen vor wie aus der Zeit gefallen. Und aus der Zeit gefallen scheint manchen wohl auch das Konzept: Die katholische Neue Mittelschule Goldenstein mit ihren rund 180 Schülerinnen ist eine der letzten reinen Mädchenschulen, die es in Österreich noch gibt.

Mit den schlechten Pisa-Ergebnissen der Mädchen in Mathematik und Naturwissenschaften sind diese Konzepte aber wieder in den Blick geraten. Mathematiker Rudolf Taschner hat für die betreffenden Fächer Mädchenklassen vorgeschlagen. Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) lehnt das ab. In der Forschung ist das nicht unumstritten. Monoedukativer Unterricht könne sinnvoll sein, sagen die einen. Mädchenklassen seien heikel, weil sie suggerieren würden, es gebe zwei Sorten von Menschen, sagen die anderen.

An den öffentlichen Schulen ist die Koedukation seit 1975 gesetzlich verankert. Und auch die privaten Schulen mit geschlechtergetrenntem Unterricht werden stetig weniger. Viele haben in den vergangenen Jahren auf gemischtes Lernen umgestellt. Neben Goldenstein gibt es nur noch eine gute Handvoll Standorte, an denen Mädchen allein unterrichtet werden, unter anderem katholische Schulen in Vorarlberg und Tirol und jüdische in Wien.

Welche Vorteile hat es, wenn Mädchen allein lernen? In Goldenstein ist der Tenor ziemlich klar: die Disziplin. „Bei uns ist es leise, wir müssen nicht alle drei Minuten den Unterricht unterbrechen, um jemanden zurechtzuweisen. Daher kommen wir auch mit dem Stoff weiter“, sagt Schulleiter Wolfgang Brudl, der 2004 Schwester Regina abgelöst hat, eine der drei verbliebenen Augustiner Chorfrauen, die im Habit im Kloster unterwegs sind. „Horchen Sie einmal hin“, sagt Brudl. „Wir haben dünne Wände – aber es ist ganz ruhig.“


Mädchen trauen sich. Ruhig ist es auch im modernen Zubau neben dem pittoresken Schlösschen. Kaum hat Brudl die Tür zum Physiksaal geöffnet, sind die 25 Mädchen der 4a aber schon aufgestanden und begrüßen ihn singend: „Grüß Gott, Herr Direktor Brudl“. In kleinen Gruppen beschäftigen sie sich damit, wie Strom entsteht. Die aktuellsten Pisa-Ergebnisse würden sie darin bestärken, ihre Schülerinnen möglichst oft selbst erarbeiten zu lassen, wie Physik funktioniert, sagt Lehrerin Anita Schwaighofer. Ein Vorteil der Mädchenschule sei vielleicht, dass sich Mädchen mehr zu sagen trauen, wenn keine Buben dabei sind, meint sie.

Mädchen trauen sich mehr, wenn sie unter sich sind: Das ist auch der Tenor unter den Lehrerinnen im Konferenzzimmer, die vor allem die freundliche, positive Atmosphäre der Schule betonen. „Sonst sind gerade in diesem Alter oft die Buben dominierend“, sagt eine Kollegin. „Wenn viele Störenfriede in der Klasse sind, halten sich manche Mädchen vielleicht eher zurück, weil sie sonst als Streberinnen ausgelacht werden“, sagt eine andere. „Das gibt es bei uns in Goldenstein nicht.“ Dafür kämen vielleicht etwas mehr klassische Mädchenkonflikte vor. Und die Tränen würden wohl schneller fließen, wenn keine Burschen dabei sind.

„Buben gehen uns schon ab“, sagt Anna (13), die aus einer gemischten Mittelschule quer eingestiegen ist. „Weil die Buben immer schlimmer sind als wir“, sagt eine Mitschülerin. „Weil sie lustiger sind“, meint eine andere. Die Viertklässlerinnen lachen. „Es hat aber schon auch seine Vorteile, dass wir nur Mädchen sind“, meint Johanna (14). Mit Buben sei es womöglich anstrengender. So oder so freuen sie sich schon auf das nächste Schuljahr – in gemischten Schulen. Vielleicht auch, weil im Freundeskreis eine Mädchenschule bisweilen belächelt wird. „Meine Freunde lachen mich aus“, sagt Anabel (15). „Die finden das lustig.“

Prominenteste Absolventin. Eine halbe Stunde später ist es nicht ganz so leise wie zuvor: „Heilig, heilig, heilig“, klingt mit Klavierbegleitung aus dem Speisesaal, in dem die Schülerinnen offenbar für die Weihnachtsmesse proben. Und wo an der Wand ein Porträt der blondgelockten, blutjungen Romy Schneider hängt, die von 1949 bis 1953 in Schloss Goldenstein zur Schule ging. Sie unternahm hier ihre ersten Schauspielversuche und verbrachte abgesehen von kleineren Vorfällen (Karl-May-Lesen in der Gesangsstunde) offenbar eine gute Zeit, war aber auch unglücklich, wenn ihre Mitschülerinnen nach Hause durften – und sie im Internat bleiben musste, weil ihre Mutter auf Tournee war.

Nun, dieses Internat gibt es seit zwei Jahren nicht mehr. Und demnächst ist es auch mit der Monoedukation vorbei. Die NMS Goldenstein wird zur gemischten Schule, denn ab kommendem Herbst werden hier auch Buben unterrichtet. Allerdings nicht auf Initiative der Schule – an der das bisherige Konzept durchwegs für sehr gut gehalten wird –, sondern aufgrund von „äußerem Druck“, wie Schulleiter Brudl es formuliert. Und nicht wegen sinkenden Interesses, obwohl der Andrang aufgrund der generell sinkenden Schülerzahlen zuletzt nicht mehr ganz so groß gewesen sei wie früher. Sondern weil die umliegenden Gemeinden Elsbethen, Puch und Oberalm eine Lösung für Buben gesucht und Goldenstein eine Mischung aus Angebot und Ultimatum gemacht hätten: Entweder die Schule nimmt Buben auf (und die Gemeinden finanzieren die notwendigen Umbauarbeiten, etwa bei den Toiletten). Oder eine neue Schule wird gebaut, die zusätzliche Konkurrenz wäre.


Keine Flegel an der Schule. „Es wird sicherlich eine Umstellung werden, für die Schule, für das ganze Haus, auch für die Schwestern“, meinen die Lehrerinnen im Konferenzzimmer. „Wir haben uns damit zurechtgefunden“, sagt Schwester Regina, die langjährige frühere Direktorin. „Ich bin guter Dinge“, meint Schulleiter Brudl. Auch wenn es mit Buben künftig vielleicht nicht mehr so selbstverständlich ruhig ist wie bisher. „Wir werden wahrscheinlich mehr Energie hineinstecken müssen. Dann bin ich optimistisch, dass wir das auch mit den Buben gut hinkriegen.“ Immerhin hänge das vor allem davon ab, wie die Lehrer die Klasse führen. Und die richtigen „Flegel“, die müsse man ja nicht unbedingt aufnehmen.

schule

Die Neue Mittelschule Goldenstein in der Gemeinde Elsbethen bei Salzburg ist eine private katholische Schule mit Öffentlichkeitsrecht. Gegründet wurde sie von den Augustiner Chorfrauen, die 1877 infolge des deutschen Kulturkampfs unter Bismarck nach Salzburg kamen. Ab Herbst 2017 werden auch Buben aufgenommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Mädchenschule Goldenstein

Ein bisschen Harry Potter


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.