Migranten scheitern am Schulsystem

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die meisten ausländischen Schüler gibt es in Wien – an Hauptschulen rund 60 Prozent. Die OECD plädiert für einen Ausbau der Ganztagsschule und mehr Lehrer mit Migrationshintergrund.

Wien(chs/APA).Der Katalog an Empfehlungen, den die OECD mit ihrem Länderbericht „Bildung von Migranten“ an das österreichische Unterrichtsministerium geschickt hat, ist lang: Mehr Ganztagsschulen, die Einführung der Gesamtschule, die vermehrte Einstellung von Lehrern mit Migrationshintergrund und die tertiäre Ausbildung von Kindergartenpädagogen stehen ganz oben auf der Liste. Denn: Im Vergleich zu „österreichischstämmigen Mitschülern“ verzeichnen Migranten auf allen Ebenen des Bildungssystems schwächere Erfolge, das belegen etwa auch die Pisa- und Pirls-Lesestudie.

Der Anteil der Betroffenen ist hoch (siehe Grafik). Österreichweit waren 2007/08 rund 17,8Prozent „ausländische Schüler oder inländische Schüler mit nichtdeutscher Muttersprache“. Bei den Schulstufen sind die Sonderschulen Spitzenreiter (27,2Prozent), auch in den Volksschulen hat mehr als jeder Fünfte nicht Deutsch als Muttersprache. Die meisten ausländischen Schüler gibt es in Wien – an Hauptschulen rund 60Prozent – gefolgt von Vorarlberg (insgesamt 19,6Prozent) und Salzburg (16,8 Prozent). An letzter Stelle liegt die Steiermark mit 9,2Prozent.

Kaum Zugang zu höherer Bildung

Besonders niedrig ist der Anteil an Schülern mit nichtdeutscher Muttersprache in den höheren Schulformen, etwa in der AHS. Grund: Viele scheitern an der Ausformung des heimischen Bildungssystems, heißt es im OECD-Bericht. Problematisch sei hier vor allem die vorherrschende Halbtagsschule. Diese verstärke die Rolle der Eltern beim Bildungserfolg, und das zulasten der Migrantenkinder. Auch die frühe Trennung der Kinder in Hauptschule und AHS habe negative Effekte: Einerseits könnte das System dazu führen, dass Lehrer schwächere Schüler in niedrigere Schultypen „abschieben“, anstatt Verantwortung für eine Verbesserung ihrer Leistung zu übernehmen. Andererseits hätten Migranten zu wenig Zeit, um sprachliche, kulturelle und soziale Kompetenzen zu entwickeln, um an AHS zu wechseln, heißt es in dem OECD-Bericht. Aufgewertet werden solle die Rolle von Lehrern mit Migrationshintergrund – etwa durch die Anerkennung von ausländischen Abschlüssen. Derzeit spiegle sich die wachsende kulturelle Heterogenität bei den Schülern nicht im Lehrkörper wider. Weniger als drei Prozent aller Lehramtsstudenten hätten eine andere Muttersprache als Deutsch.

Der Bericht ist Wasser auf den Mühlen von Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ). Sie fordert schon seit Längerem den raschen Ausbau von Ganztagsschule und Neuer Mittelschule, wird aber von der ÖVP in ihrem Reformeifer gebremst. Am Donnerstag hat die SPÖ den Druck auf den Koalitionspartner erhöht: Sie will einen Initiativantrag einbringen, um die geltende Zehn-Prozent-Grenze für den Schulversuch „Neue Mittelschule“ zu beseitigen.

Rechnungshofkritik an Schmied

Kritik an der Politik der Ministerin kam am gleichen Tag vom Rechnungshof: Er bemängelt in einem Bericht „Organisation und Wirksamkeit der Schulaufsicht“. Von seinen im Jahr 2007 veröffentlichten neun Forderungen seien gerade einmal zwei teilweise umgesetzt worden. Noch immer könnten etwa die Personalausgaben für die Schulaufsicht nicht lückenlos festgestellt werden. Nicht umgesetzt wurde auch die Empfehlung, regionale Bildungspläne zu erstellen und flächendeckende Schulprogramme zu entwickeln. Das Ministerium liegt damit am unteren Ende bei der Umsetzung von RH-Empfehlungen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.12.2009)

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